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Alkoholproblem schöngeredet

Ein betrunkener Maler hat mit seinem VW Beetle in Loschwitz einen Zaun zerlegt. Der Rentner hat nun schmerzhaft gelernt, wozu ein Chemiker in der Lage ist.

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Von Alexander Schneider

Er irrlichterte in seinem VW Beetle nachts durch Loschwitzer Sackgassen, nietete beim Wenden einen Grundstückszaun um, aber übersah einen Wendehammer – das allein sind typische Symptome für ein Übermaß an Alkohol. Doch der 72-jährige Fahrer, der damals nicht gleich den Heimweg gefunden hatte, bestreitet, betrunken am Steuer gesessen zu haben. In einem aufwendigen Prozess hat ihm die Justiz nun nachgewiesen, dass er wohl gelogen hatte.

Doch der Reihe nach. Der Metallzaun in der Kügelgenstraße war gerade frisch umgefahren worden, da sahen die vom Lärm aufgeschreckten Bewohner den Beetle davonfahren. Bald standen zwei Polizisten vor dem Haus des 72-Jährigen. Sie fanden Unfallspuren am VW, rochen die Alkoholfahne des Angeklagten und nahmen ihn mit zur Blutabnahme. Wegen Trunkenheit im Verkehr und Unfallflucht erhielt der bislang nicht vorbestrafte Rentner per Strafbefehl vom Amtsgericht Dresden eine Geldstrafe, der er jedoch nicht akzeptierte.

In einem ersten Prozess sagte der Mann, er habe erst nach der Fahrt reichlich getrunken. Einen Rest Bier und vor allem hochprozentigen Grappa. Richter Herbert Dietz setzte den Prozess aus und ließ die Blutproben dahingehend untersuchen, ob der Alkohol tatsächlich später getrunken worden war. Juristen sprechen dabei recht trocken von einem „Nachtrunk“. Ebenfalls ging eine Flasche des Grappa in die Analyse ein, den der Angeklagte in jener Nacht zu Hause hinuntergestürzt haben wollte.

Hochprozentiges Winzer-Geschenk

Die Flasche sei ein Geschenk des Winzers gewesen, der ihn an jenem Abend im Sommer 2013 eingeladen hatte, behauptete der Angeklagte. Die Männer hätten Bilder für eine Ausstellung zum „Tag des offenen Weinguts“ zusammengestellt. Nur drei kleine Gläser Wein hätten sie von 19.30 bis 21.30 Uhr getrunken. Die Flasche Grappa habe er mitgenommen, wie auch einige seiner Bilder. „Ich war euphorisch“, sagte der Maler über den schönen Abend. Er gab zu, sich verfahren zu haben, den Zusammenstoß mit dem Zaun habe er jedoch nicht bemerkt.

Interessanterweise behauptete auch der 54-jährige Winzer, es habe nur wenige Schlucke Wein gegeben. Die wollten jedoch weder zu der Irrfahrt des Angeklagten noch zu den erheblichen Alkoholwerten passen. Die Begegnung mit dem Zaun hätte der Fahrer mitbekommen müssen, sagte ein Unfallgutachter. Noch ernüchternder war die Nachtrunk-Analyse einer Chemikerin. Zum einen weisen die Werte mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Abbauphase hin – das widerspricht der Sturztrunk-Behauptung. Darüber hinaus könne es dieser Grappa nicht gewesen sein, den der Angeklagte in sich hineingeschüttet haben wollte. Das belege die Analyse der Begleitstoffe. „Bei dieser Alkoholisierung würde ich im Falle eines Nachtrunks auch deutliche Ausfallerscheinungen erwarten“, sagte die Frau. Die habe es aber auch nicht gegeben, kein Lallen und kein Schwanken.

Für Richter Dietz war der Fall klar: „Ich glaube Ihnen in dieser Geschichte nicht mehr viel“, sagte er zum Angeklagten. Der Mann sei Alkohol gewohnt und habe versucht, „sich das alles schönzureden“. Dietz verurteilte den Rentner zu einer Geldstrafe von 3 200 Euro und einem dreimonatigen Fahrverbot. Darüber hinaus muss er auch die ganzen Gutachten bezahlen.