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„Alkohol ist ein größeres Problem als Crystal“

Zehnmal im Jahr wird Riesas Geburtsklinik über Schwangere mit Drogenproblemen informiert. Und das ist nicht alles.

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© Sebastian Schultz

Riesa. Sie ist auch in Riesa oder Großenhain zu bekommen, sie ist billig und gefährlich: die Teufelsdroge Crystal. Konsumentinnen hören nicht zwangsläufig damit auf, es zu nehmen, wenn sie schwanger sind. Vor allem in Dresden sind die Geburtskliniken zunehmend mit crystalabhängigen Müttern konfrontiert. Aber wie sieht es im ländlichen und kleinstädtischen Raum aus? Die SZ sprach darüber mit zwei Ärzten des Elblandklinikums Riesa: mit Dr. Jörg Kotsch, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, sowie mit Dr. Kai Nils Pargac, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin.

Herr Dr. Kotsch, Herr Dr. Pargac: Das Landratsamt stellt fest, dass auf Entbindungsstationen immer mehr suchtmittelabhängige Mütter aufgenommen werden. Inwiefern beschäftigt Sie das?

Dr. Kotsch: Wir nehmen in Riesa nicht zunehmend mehr drogenabhängige Mütter auf. Zumindest nicht, seitdem ich hier am Elblandklinikum bin. Das ist seit 2014. Es ist ein gleichbleibendes Problem. Fast ausschließlich sprechen wir von Crystal.

In den Großstädten ist das offenbar ein Problem, das sich ausweitet, weshalb nun auch das Gesundheitsamt Meißen reagiert. Wohl deswegen sollten mobile Drogenfachkräfte Sie auf Station besuchen. Gibt es Nachholbedarf?

Dr. Kotsch: Das sehe ich nicht so. Die Frauen und auch die Kinder sind hier nicht schlechter versorgt als in Großstädten wie Dresden oder Leipzig.

Wie läuft das ab, wenn eine drogenabhängige Mutter ihr Kind auf der Geburtsstation in Riesa zur Welt bringt?

Dr. Kotsch: Häufig sind in diesen Fällen schon im Vorfeld das Jugendamt und auch Beratungsstellen eingebunden. Dann werden wir über die Suchterkrankung informiert. Wenn uns erst in der Klinik Verhaltensauffälligkeiten an Mutter oder Kind auffallen, kann die Frau einen Drogentest machen. Das geht aber nur mit Einwilligung. In jedem Fall wird das dem Jugendamt gemeldet. Hier geht es aber ausdrücklich nicht darum, die Frau zu verurteilen, sondern um das Wohl des Kindes.

Wie oft kommt das vor?

Dr. Kotsch: Das sind Einzelfälle. Etwa zehnmal im Jahr informiert uns das Jugendamt darüber, dass eine Mutter Konsumentin ist. Aber dann gibt es ja auch noch die Dunkelziffer. Nicht alle Frauen willigen einem Drogentest ein.

Herr Dr. Pargac, wie wirkt sich die Suchtmittelabhängigkeit auf den Säugling aus?

Dr. Pargac: Das ist ganz unterschiedlich – abhängig von der Droge sowie der Dauer und Intensität des Konsums. Das geht von Atemstörungen über Unruhe-Zustände oder Krämpfe bis hin zu Fehlbildungen. Nicht in jedem Fall bleiben Folgeschäden. Aber das Entwicklungspotenzial des Kindes ist in der Regel kleiner als bei Kindern gesunder Mütter. Als Erwachsene haben sie später dann meist auch selbst Probleme: Aufmerksamkeitsdefizite, oder sie neigen ebenfalls zu Suchterkrankungen.

Wie gehen Sie mit den Säuglingen von Konsumentinnen um?

Dr. Pargac: Wenn wir es wissen, werden sie speziell überwacht. Wir kontrollieren zum Beispiele Puls und Atmung. Je nachdem, wie es der Mutter geht und was das Jugendamt sagt, kommt das Kind erst nach ein oder zwei Wochen in die Obhut der Mutter. Das obliegt aber nicht uns.

Wir haben nur über die Abhängigkeit von illegalen Substanzen wie Crystal gesprochen. Wie sieht es mit legalen Drogen aus?

Dr. Pargac: Alkohol ist definitiv ein Problem. Ich will Crystal nicht kleinreden, aber ich denke, dass Alkoholkonsum während der Schwangerschaft für die Entwicklung des Kindes noch schlimmer ist.

Das Gespräch führte Britta Veltzke.