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Aldi-Umzug unerwünscht

Der Discounter will in Copitz von der Radeberger Straße an die belebtere Rennerstraße ziehen. Bei Anwohnern stößt das auf Widerstand.

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© ZB

Von Thomas Möckel

Pirna. Die Vorlage klang kryptisch. Ein „Maßgabenbeschluss zum Beschluss über das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt Pirna“ stand im Oktober 2015 auf der Tagesordnung des Pirnaer Stadtrates. Die Abgeordneten nickten den Punkt ohne große Debatte ab. Ob jeder wusste, was da beschlossen wurde? Bei genauem Hinsehen entpuppte sich der Akt hinter dem Beschluss als Großvorhaben: Der Discount-Riese Aldi will den Markt an der Radeberger Straße aufgeben und an die Rudolf-Renner-Straße ziehen – auf ein Grundstück direkt vor das Herder-Gymnasium. Aldi kaufte inzwischen das neue Areal, der Bauausschuss erteilte das gemeindliche Einvernehmen zum dem Bauvorhaben. Der Bauantrag von Aldi liegt im Rathaus und wird derzeit bearbeitet. Bis vor Kurzem blieb der geplante Umzug weitgehend unbeachtet. Seit jedoch die Anwohner aus dem Bauvorbescheid das Ausmaß des Projektes kennen, regt sich heftiger Widerstand. Fast alle legten Widerspruch gegen den Vorbescheid ein – sie lehnen den Markt ab. Die SZ fasst die Kritikpunkte zusammen.

Die Kritikpunkte

Kritik 1: Aldi dürfte eigentlich gar nicht an die Rennerstraße ziehen

Die Anwohner des neuen Aldi-Areals halten das Vorhaben mit einer insgesamt 1000 Quadratmeter großen Halle, einem Parkplatz mit 64 Plätzen sowie Ein- und Ausfahrten zu beiden Seiten der Renner-Straße für unzulässig. Grundsätzlich haben sie Recht: Zentrenrelevante Einzelhandelsbetriebe sind in diesem Gebiet nicht erlaubt. Ausnahme: Der Markt dient der Nahversorgung und überschreitet nicht die Grenze zur Großflächigkeit, die bei einer Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern beginnt. Pirna bejahte die Nahversorgung, und dem zweiten Fakt beugt Aldi vor: Der Discounter plant mit einer Verkaufsfläche von 799 Quadratmetern. Die Stadt sagte zu, darauf zu achten, dass Aldi sich daran hält. Die Anwohner befürchten aber, dass sich die Verkaufsfläche mit ein paar Tricks im Innern leicht vergrößern lässt.

Kritik 2: Die Verkaufshalle fügt sich nicht in die Umgebung ein

Vielen Anwohnern ist die neue Verkaufshalle ein Gräuel. Sie füge sie sich nicht in die Umgebung ein, die Gegend sei von Wohnbebauung geprägt. „Wer lässt sich nur solchen Unfug einfallen?“, klagt Zahnarzt Dr. Justus Fabian, der gegenüber seine Praxis hat. Die Stadt sieht hingegen keinerlei Probleme. Die Baukörper entlang der Rennerstraße wie auch der Schulbau seien groß genug, um die Halle nahtlos einzufügen. Das stimmt allerdings nur bedingt: Es gibt entlang der Rennerstraße keinen vergleichbar schmucklosen Bau wie die geplante Aldi-Halle. Zwar existiert weiter vorn ein Lidl-Markt, der liegt aber nicht zwischen Wohnhäusern und einer Schule.

Kritik 3: Pirna hat ohne Not den Aldi-Umzug forciert

Kaum einer der Anwohner kann verstehen, warum sich Pirna so vehement für den Discounter einsetzt. „Der Umzug wäre aus Sicht der Stadt nicht nötig, ich verstehe die Not von Pirna nicht“, sagt Anwohner Oliver Lang. Nach Auskunft der Stadt habe sich der Investor den zukünftigen Standort allerdings selbst gesucht, für den Umzug wirtschaftliche Gründe vorgebracht und so die Mehrheit der Stadträte überzeugt. Die Verwaltung hätte sich auch einen Verbleib am Altstandort sehr gut vorstellen können. Doch es war in erster Linie die Stadt, die die beiden Ausnahme-Tatbestände ins Spiel brachte und im Bauvorbescheid verankerte, die den Umzug erst ermöglichen.

Kritik 4: Ausmaß des Vorhabens wurde nie öffentlich kommuniziert

Die Anwohner hadern damit, dass Ausmaß und Auswirkungen des Aldi-Umzuges nie öffentlich kommuniziert wurden. Sie erfuhren erst aus dem Bauvorbescheid davon. „Da war ich regelrecht erschrocken“, sagt Anwohnerin Elke Lohrey. Laut der Stadt seien hingegen alle vorbereitenden Entscheidungen im Stadtrat öffentlich diskutiert und beschlossen worden. Die Anwohner hätten sich dennoch gewünscht, dass man vorher mit ihnen geredet hätte.

Kritik 5: Anwohner kommen nicht mehr zur Ruhe

Die Stadt hat Aldi im Bauvorbescheid Öffnungszeiten werktags von 7 bis 21.30 Uhr gestattet – für die Anwohner ein Unding. „Wir sehen die Gefahr, dass wir vor 22 Uhr keine Ruhe mehr bekommen“, sagt Elke Lohrey. Laut Stadt seien die Öffnungszeiten zwar so genehmigt, dass der Fahrverkehr angeblich keine Anwohner belästige. Es verbleibe nach Ladenschluss noch Zeit, bis 22 Uhr den Parkplatz zu räumen. Für Familie Lohrey ein schwacher Trost. Ihr graut schon davor, auf Erholungsphasen nach dem Arbeitsalltag verzichten zu müssen.

Kritik 6: Lärmschutzauflagen reichen nicht aus

Die Anwohner befürchten, dass der neue Markt immensen Lärm verursacht. Zwar hat die Stadt dem Discounter mehrere Auflagen erteilt: So dürfen Klimaanlagen von 22 bis 6 Uhr nur schallreduziert betrieben werden. Verpackungszerkleinerer und Papierpresse dürfen nur von 7 bis 20 Uhr in Betrieb sein. Schall, der vom Baukörper in die Nachbarschaft strahlt, sei zu unterbinden. Laut dem Rathaus sei zum Bauantrag auch ein Schallschutzgutachten eingereicht worden. Dies gehe davon aus, dass der künftige Lärm für das Umfeld nicht unzumutbar sei. Doch laut Elke Lohrey sei dabei nicht der Lärm von Gabelstaplern, Hubwagen, hydraulischen Lkw-Bühnen sowie vom An- und Abreiseverkehr berücksichtigt worden. Die Lärmbelästigung könnte demnach trotzdem unerträglich sein.

Kritik 7: Das Grundstück ist mit Schadstoffen belastet

Laut den Anwohnern befand sich auf dem Areal früher eine Gasanstalt, der Boden könnte daher vor allem mit Teer-Rückständen belastet sein. Laut der Stadt sei das Grundstück im Altlastenkataster erfasst. Dieses empfiehlt, die Altlasten auf dem Gelände im Boden zu belassen. Eine Versiegelung der Oberfläche – mit Parkplatz oder Baufläche – biete den besten Schutz.

Kritik 8: Vorgegebene Anlieferzeiten lassen sich nicht einhalten

Laut Bauvorbescheid darf Aldi den neuen Markt zwischen 6 und 22 Uhr beliefern. Allerdings bezweifeln die Anwohner, dass sich Aldi daran hält, denn das Unternehmen hat eine ganz eigene Logistik. Und nach SZ-Informationen will Aldi den Markt offenbar beliefern, wann immer Nachschub benötigt wird – egal, zu welcher Zeit.

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