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Alarm in der S-Bahn

Ein Fahrgast ist dabei, als im Zug randaliert wird. Auf seinen Hilferuf reagiert erst niemand, und dann bekommt er auch noch Ärger mit der Polizei.

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© Sven Ellger

Von Tobias Winzer

Die Ernüchterung ist Ronny Hausdorf immer noch anzumerken. „Wenn ich das nächste Mal in so eine Situation komme, mache ich nichts mehr“, sagt der 37-Jährige. Bei einer Fahrt mit der S-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Neustadt vor wenigen Tagen fühlt er sich von einem offensichtlich betrunkenen Mann bedroht. Als der Dresdner die vermeintliche Notruftaste in dem Abteil drückt, reagiert niemand. Und von der Polizei, die am Neustädter Bahnhof eingreift, fühlt er sich ungerecht behandelt. „Ich bin enttäuscht“, sagt er.

Hausdorf, der auch im Fahrgastverband Pro Bahn aktiv ist, schildert die Ereignisse an diesem Dienstagnachmittag so: Am Hauptbahnhof steigt er in die S 1 Richtung Neustadt. Kurz nachdem der Zug den Bahnhof verlässt, betritt ein offensichtlich betrunkener Mann das Großraumabteil. „Er fing an zu randalieren“, sagt Hausdorf. Der Mann soll sich teilweise ausgezogen, Fahrgäste beleidigt und Glasflaschen auf dem Boden zerschlagen haben.

Von ihm unbemerkt, drückt Hausdorf die Alarmtaste in dem Abteil. Als nach zwei Versuchen keine Antwort kommt, wählt er auf seinem Handy die Nummer der Bundespolizei. Zwei Beamte warten schließlich am Neustädter Bahnhof. Da der Randalierer mittlerweile mitbekommen hatte, wer ihn anschwärzen will, geht er auf Hausdorf los. Der verlangt von den Polizisten, ihn zu beschützen. Doch die Beamten belehren ihn nur, dass er nicht zu entscheiden habe, was zu tun sei. Auf eine Anzeige gegen den Randalierer verzichtet Hausdorf aus Frust. „Mir hat es gereicht“, sagt er.

Notrufknopf ist keiner

Konfrontiert mit den Schilderungen, nimmt auch eine Sprecherin der Bundespolizei Stellung zu dem Vorfall. Demnach sollen sich Hausdorf und der Randalierer beim Aussteigen aus der S-Bahn lautstark angebrüllt haben. „Um eine Eskalation zu verhindern, versuchten die Beamten, die beiden Personen zu trennen“, heißt es weiter. Als sich die beiden Männer auch während der Befragung weiter beschimpften, wurden sie ermahnt. Da sich Hausdorf auch danach nicht beruhigen konnte, sei er schließlich gebeten worden, sich auszuweisen. Nachdem er seinen Ausweises zurückbekam, habe er lautstark schimpfend den Bahnsteig verlassen, ohne den Beamten mitzuteilen, was denn nun konkret während der Zugfahrt vorgefallen sei.

Hausdorf widerspricht. „Ich weise es deutlich von mir, dass ich den Randalierer oder auch die Beamten beschimpft habe“, sagt er. „In der Tat war ich über die Art und Weise, wie die Polizei hier agiert hat, verärgert. Dass ich mich dann auch noch zuerst ausweisen sollte, empfand ich als eine Umkehrung der Verhältnisse.“

Die Deutsche Bahn erklärt den scheinbar defekten Notrufknopf: Bei der Taste in dem Abteil handele es sich um eine Sprechtaste und keinen Notrufknopf. Der Sprechwunsch werde dem Bahnfahrer gemeldet, der die Verbindung herstellen könne. Im konkreten Fall sei nur ein „hallo, hallo“ angekommen. Da beim Drücken der Sprechtaste gleichzeitig ein Signal ausgelöst wird, wurde der Zugbegleiter alarmiert. Dieser hatte – ohne, dass es Hausdorf wusste – ebenfalls die Polizei informiert.

Der 37-Jährige zieht daraus nun seine eigenen Schlüsse: „Ich hatte mich immer gefragt, warum Leute wegschauen, wenn was passiert. Nun weiß ich, warum immer weniger Menschen Zivilcourage zeigen.“ Mit dem Fahrgastverband will er sich zumindest dafür einsetzen, dass es in jedem Zugabteil auch richtige Notrufknöpfe gibt.