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Alarm am alten Fernwärme-Kanal

Reihenweise Feuerwehrwagen am Terrassenufer, sowie Krankenwagen und Techniker der Drewag: Was am Donnerstagmorgen ausschaut wie ein Notfall, erweist sich als Rettungsübung.

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© Christoph Sprimger

Von Christoph Springer

Dresden.Stromausfall in der Unterwelt, plötzlich herrscht pechschwarze Finsternis im Fernwärmekanal. Die Besucher können die Hand vor Augen nicht mehr sehen. Nur der Tourführer hat eine Lampe dabei, sie spendet spärliches Licht. Nicht genug für drei der 25 Besucher in der historischen Anlage unter der Brühlschen Terrasse. Sie stürzen auf einer steilen Treppe, brechen sich mehrere Knochen und erleiden schmerzhafte Schürfwunden. Alarm in der Tiefe!

Übung im Kanal

Ein Großaufgebot an Rettungskräften rückte am Donnerstagmorgen in der Innenstadt an.
Ein Großaufgebot an Rettungskräften rückte am Donnerstagmorgen in der Innenstadt an.

Immerhin: Der Handyempfang funktioniert, der Tourchef ruft die 112 an. Nach sechs Minuten ist die Feuerwehr da. Sie rückt aus der Wache in der Altstadt und aus Löbtau an. Auch Höhenretter sind dabei, die klettern können und sich mit Seilen und Karabinern bestens auskennen. Zehn Fahrzeuge stoppen auf dem Terrassenufer und der Brühlschen Gasse. Binnen Sekunden geht nichts mehr zwischen Elbe und Neumarkt, Passanten bleiben neugierig stehen, Autofahrer bremsen und beobachten das Geschehen vor der Tür zu dem Tunnel mit den dicken Fernwärmerohren der Drewag.

Was sie nicht wissen: Es handelt sich um eine Übung. Feuerwehrsprecher Ralf Schröder erklärt, jeder der 15 Einsatzzüge der Berufsfeuerwehr müsse im Jahr mindetens 50 Mal zu besonders herausfordernden Brand- oder Rettungsorten fahren. Dort sehen sich die Feuerwehrleute an, wo sie im Ernstfall löschen oder Verletzte bergen müssen und welche besonderen Schwierigkeiten sie dabei erwarten.

Rettung mit Spezialtrage

In dem 300 Meter langen Kanal unter der Brühlschen Terrasse sind das jetzt vor allem die Dunkelheit, zwei Engstellen mit mächtigen Säulen und eine steile Treppe. Es dauert nur ein paar Minuten, bis die Besuchergruppe, die bei dieser Übung von Drewag-Mitarbeitern dargestellt wird, aus dem Tunnel kommt. Alle sind wohlauf, aber der Führer, ein erfahrener Drewag-Kollege, vermisst drei Menschen. Es sind die Verletzten, die nicht selbst aus dem Kanal kommen konnten.

Die Feuerwehr muss sie ins Freie holen. Jetzt sind die Höhenretter gefragt, denn sie wissen, wie man eine Trage über mehrere Meter nach oben bugsiert, ohne dass die Unglücksopfer mehr als nötig leiden. Mit zwei stabilen Plastiktragen und einer biegsamen, dicken Kunststoffmatte verschwinden sie im Fernwärmekanal. 50 Meter weit müssen sie in den Tunnel, am Fuß der Treppe die Verletzten auf die Tragen heben und sie dann sicher zur Brühlschen Gasse bugsieren. Dazu ist die Kunststoffmatte, eine sogenannte Schleifkorbtrage, besonders gut geeignet. Darin wird der Verletzte eingeschnürt wie in ein Korsett. Dann kann sie über den Boden geschleift werden, ohne dass die Person in der Trage dabei leidet.

54 Minuten nach der Alarmmeldung an die Feuerwehr ist die Übung zu Ende. Alle Besucher sind im Freien, die drei Verletzten hätte im Ernstfall ein Notarzt vor Ort behandelt und ein Rettungswagen in eine Klinik gebracht. Feuerwehrmann Sven Beckmann, der den Einsatz geplant und beobachtet hat, ist zufrieden. Die Zusammenarbeit zwischen den Höhenrettern aus Löbtau und den Männern von der Feuerwache Altstadt habe gut funktioniert, sagt der Einsatzchef. Die Autos rücken wieder ab, ein paar Minuten später kann der Verkehr auf der Brühlschen Gasse wieder rollen. Die Drewag-Verantwortlichen atmen auf. Einen Ernstfall habe es noch nie in einer ihrer unterirdischen Anlagen gegeben, sagt Ralf Schröder. Nach der Übung unter der Brühlschen Terrasse können die Bauarbeiten im Tunnel nun wie geplant weitergehen, Änderungen aus Sicherheitsgründen sind nicht nötig, so das Ergebnis.

Das Versorgungsunternehmen investiert rund eine Million Euro in den Tunnel. Ab September sollen dort Führungen stattfinden, schließlich ist es der älteste Fernwärmekanal der Stadt. Sachsenkönig Albert ließ ihn vor fast 120 Jahren bauen. Die Drewag nutzt ihn für eine der wichtigsten Heizleitungen in der Innenstadt. Und für die Führungen in ihre Geschichte. Dabei spielt Sicherheit eine wichtige Rolle. Jede Besuchergruppe bekommt einen speziell geschulten Führer, der im Notfall auch die Feuerwehr rufen kann. Anmeldungen für die Touren durch den Fernwärmekanal sind aber erst vor der Eröffnung möglich.