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Afghanische Küche fürs internationale Kochbuch

Das Bündnis Buntes Radebeul veröffentlicht Lebensgeschichten und Rezepte von Flüchtlingen.

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© Anne Hübschmann

Wali Khaleqis neues Zuhause ist eine Wohnung mit Blick auf Weinberge und Spitzhaus. Hier lebt er seit knapp drei Monaten und teilt sich seine Unterkunft mit zwei anderen Flüchtlingen aus Afghanistan und Pakistan. Wali kam 2011 aus Afghanistan nach Deutschland und serviert zur Begrüßung grünen Kardamom-Tee, der würzig und süßlich zugleich schmeckt. Er hat ein offenes, freundliches Gesicht und erzählt, dass in seiner Heimat hauptsächlich grüner und schwarzer Tee getrunken wird.

Für ein Kochbuch mit internationalen Rezepten, das vor einigen Wochen erschienen ist, durfte Wali sich an die schönen Seiten seines Heimatlandes erinnern. Zusammen mit dem Bündnis Buntes Radebeul haben Flüchtlinge aus Pakistan, Westsahara, Syrien, dem Irak, Mazedonien und Afghanistan ihre landestypischen Gerichte gekocht und in einem Rezeptbüchlein gesammelt. Stephanie Kerkhof, Vorstandsmitglied des Vereins, sagt: „Wir unterstützen die Flüchtlinge in ihrem Alltag, und als Dankeschön haben sie oft für uns gekocht. So entstand die Idee, aus Rezepten und Heimatgeschichten ein Buch zu machen“. Weil die ersten 500 Exemplare weggingen wie warme Semmeln, sollen jetzt noch einmal 1 000 Stück aus dem Druck kommen.

In Afghanistan ist Brot das wichtigste Grundnahrungsmittel und bildet zusammen mit Tee schon eine Mahlzeit. Für das Kochbuch hat sich Wali mehrere aufwendigere Gerichte überlegt und gekocht. Zum Beispiel eines seiner Lieblingsgerichte Ghabli Polo, also Reis und Hähnchenfleisch. Außerdem Rindfleischbällchen und ein Auberginengericht, das in einer großen Pfanne serviert wird. Typisch für die afghanische Küche sind außerdem Reis und Lammfleisch sowie die Verwendung vieler aromareicher Zutaten wie Knoblauch, Kreuzkümmel und Chili.

Wali hat bereits mit zwölf Jahren angefangen zu kochen. Seine Mutter und seine Schwestern haben es ihm beigebracht. Er lebte in einem kleinen Dorf mit seinem Bruder und einer Schwester, denn beide Eltern hat er früh verloren. Mit 20 ist er vor den Taliban, die ins Dorf kamen, geflohen. Auf seiner Flucht haben die Taliban ihm in den Fuß geschossen. Von diesen und anderen schlimmen Erlebnissen hat er ein Trauma davongetragen. In Chemnitz, in der Erstaufnahme der Flüchtlinge in Sachsen, war er für circa zwei Monate, danach ging es weiter nach Radebeul. Insgesamt drei Jahre wohnte Wali dann im Flüchtlingsheim, wo er oft Angst hatte. Wegen seines Traumas stellte er einen Antrag auf sogenannte dezentrale Unterbringung und konnte das Zimmer im Flüchtlingsheim gegen seine neue Wohnung tauschen. „Diese Art der Unterbringung außerhalb des Flüchtlingsheims ist die erste in Radebeul. Wir suchen aber händeringend weitere Wohnungen“, erklärt Stephanie Kerkhof.

Sie findet es sehr wichtig, dass gerade jetzt, wo überall und besonders in Dresden über die Flüchtlinge gesprochen wird, ein Projekt wie das Kochbuch entstanden ist. „Sonst helfen wir den Flüchtlingen. Durch das Kochbuch konnten sie diesmal uns etwas von ihrer Kultur vermitteln.“ Das Projekt wurde mit 2 500 Euro aus dem Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ unterstützt. Auch sonst freut sich das Bündnis Buntes Radebeul über viel Unterstützung. So sind die Möbel in Walis Wohnung größtenteils Sachspenden, zu denen der Verein aufgerufen hatte.

Wali würde gern in einer Küche arbeiten. „Ich liebe das Kochen, am liebsten würde ich mal für ein Mädchen kochen“, sagt er und lacht. Kurz nach seiner Ankunft in Radebeul hat er in Meißen ein halbes Jahr einen Deutschsprachkurs besucht und danach als Praktikant für einen Monat in einem Radebeuler Dönerladen gearbeitet. Sein Antrag auf Arbeitsgenehmigung wurde aber abgelehnt mit der Begründung, dass diese Tätigkeit auch von einem Deutschen ausgeübt werden kann.

So ist Wali meist den ganzen Tag zu Hause, das macht ihn nicht glücklich. Eine willkommene Abwechslung brachte da die gemeinsame Arbeit am Kochbuch. Seine Fotos zeigen die Flüchtlinge beim Kochen und die fertigen Gerichte mit Zutaten und Rezepten. Am Ende erzählen die Flüchtlinge von ihrem Land und über die Dinge, die sie an Deutschland etwas merkwürdig finden. Bei Wali sind das die Punkmusik und tätowierte Frauen – beides Erscheinungen, die er erst hier entdeckt hat. Beate Erler

www.buntes-radebeul.de