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Ärztenetzwerk knüpft neue Fäden

Niesky gilt als unterversorgt. Die Suche nach jungen Ärzten ist nicht der einzige Weg. Manches müsste einfacher sein.

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© André Schulze

Von Steffen Gerhardt

Niesky. Für die Gymnasiasten Emilia, Tabea und Ulrike ist das ein wichtiges Thema, wenn es an Ärzten in Niesky und Umgebung mangelt. Nicht nur sie, auch ihre Familien und Verwandten sind davon betroffen und können darüber berichten, erzählen sie. Daher machen die drei Zwölfklässlerinnen den Ärztemangel zum Mittelpunkt ihrer Kunstinstallation und suchten sich in der vergangenen Woche als Ort dafür das Nieskyer Ärztehaus aus. Auch wenn die Praxen in dem Gebäude besetzt sind, so täuscht das nicht darüber hinweg, dass Hausärzte und Fachärzte rar sind.

Was das Ärztepotenzial betrifft, gilt Niesky inzwischen als unterversorgt. Mit dieser Nachricht überraschte Hans-Joachim Tauch jüngst die Mitglieder des Unternehmerverbandes Niederschlesien. Der Netzmanager berichtete in der Unternehmer-Runde über die Aktivitäten der Ärzte-Netz Ostsachsen GbR, die alles daran setzt, dass es eben zu keiner Unterversorgung kommen sollte. Aber laut Kassenärztlicher Vereinigung des Landes Sachsen sei der Zustand für Niesky jetzt eingetreten.

Das bedeutet, dass der Freistaat nicht mehr nur mit 60 000 Euro die Niederlassung eines Arztes finanziert, sondern 100 000 Euro dafür zuschießt. Aber dazu braucht es eben Ärzte, die sich im Landkreis niederlassen wollen.

Der Gemeinde Neißeaue ist es geglückt, einen Arzt ganz für sich zu bekommen. Der Görlitzer Facharzt für innere Medizin, Dr. Gerd Scholze, hat seine Praxis ganz nach Zodel verlegt. Zuvor war er nur tageweise in der Gemeinde und auf Hausbesuchen in Neißeaue. Für Bürgermeisterin Evelin Bergmann hieß das, Bedingungen dafür zu schaffen, dass ein Praxisbetrieb möglich ist: „Dafür richteten wir durch Umbau in diesem Jahr Räume im Ortschaftszentrum Zodel ein, da die bisherige Praxis im Nesselgut zu klein geworden ist.“

Weitaus schwieriger ist es, junge Ärzte in die Oberlausitz zu holen. Hinzu kommt, dass ein junger Mensch elf Jahre mit Studium, Weiterbildung und Assistenz verbringen muss, bevor er seine Praxis eröffnen darf. „Wobei wir feststellen, dass es einen Drang zur Anstellung gibt, die eigene Niederlassung scheint weniger erstrebenswert“, macht Tauch auf den Wertewandel bei jungen Ärzten aufmerksam.

Um einem Notstand entgegenzuwirken, reicht es nicht, auf ausgebildete Ärzte zu warten, die erst in einigen Jahren vielleicht kommen würden. Nicht wenige Ärzte in der Oberlausitz stehen kurz vor ihrer Rente oder hätten längst in Ruhestand gehen können. Ein Problem, dass sich in den kommenden Jahren noch verschärfen wird, sagt Reiner E. Rogowski, Geschäftsführer der Oberlausitz-Kliniken. Sie umfassen die beiden Krankenhausstandorte Bautzen und Bischofswerda. Der Klinikchef spricht von 370 Hausärzten und Internisten, die gegenwärtig in den Landkreisen Bautzen und Görlitz noch praktizieren. Derweil seien fast 40 Hausarztpraxen in beiden Kreisen nicht besetzt. Für die verbliebenen Mediziner heißt das, sich um sehr viele Patienten kümmern zu müssen.

Aus Sicht des Ärztenetzwerkes ist fehlendes Personal nur eine Baustelle zu einer guten medizinische Versorgung der Bevölkerung. „Große Reserven sehen wir in der interdisziplinären Zusammenarbeit, zum Beispiel zwischen Haus- und Facharzt“, erläutert Netzmanager Tauch. Dabei geht es um solche Dinge wie das Vermeiden von Doppeluntersuchungen, eine gemeinsame Terminkoordination für den Patienten und um das Abstimmen über zu verabreichende Medikamente. Dazu will das Ärztenetzwerk Behandlungspfade ableiten, die bei zunächst sechs typischen Krankheitsbildern Anwendung finden sollen. Erleichterung durch schnellen Datenaustausch der Ärzte untereinander sehen die Netzwerker in dem elektronischen Arztbrief, der über ein eigenes Netz bundesweit im kommenden Jahr eingeführt werden soll.

Aber auch die koordinierte Weiterbildung zum Facharzt soll forciert werden. Dazu will das Ärztenetzwerk ein Projekt mit der Sächsischen Aufbaubank anschieben und eine Koordinierungsstelle schaffen. Bereits jetzt ist der Bedarf da, um ausländische Ärzte in Deutschland praktizieren zu lassen. Hans-Joachim Tauch spricht von sechs bis acht Ärzten, die auf eine Weiterbildung warten. Dabei arbeitet man mit der Servicestelle für ausländische Arbeitskräfte in Reichenbach zusammen. Voraussetzung ist, dass den Medizinern entsprechende Assistenzstellen zur Verfügung stehen. „Davon haben wir aber noch zu wenige in den Kliniken“, sagt Tauch. (mit SZ/ju)