Merken

Ärzte warnen vor Panikmache

Angeblich schleppen Asylbewerber gefährliche Krankheiten ein. Mediziner, die sie betreuen, widersprechen.

Teilen
Folgen
© Steffen Unger

Von Jana Ulbrich

Den jungen Mann aus Syrien hat sich Dr. Robert Hofmann in die Notfallambulanz bestellt. Die stark entzündete Wunde an der Hand muss neu versorgt werden. Hier im Bischofswerdaer Krankenhaus, wo Hofmann als Oberarzt in der Chirurgie und als Notarzt arbeitet, macht sich das besser. Morgen soll der junge Mann wieder in die „Sprechstunde“ kommen.

Die Sprechstunden in der Bischofswerdaer Erstaufnahmeeinrichtung halten Robert Hofmann und 20 Kollegen aus dem Krankenhaus, dem MVZ und den Praxen der Region in Eigeninitiative. Dreimal wöchentlich behandeln sie hier Erkältungen, grippale Infekte, Kopfschmerzen, Wunden, Entzündungen, Abszesse. Ein paar Fälle von Krätze, einer durch Milben verursachten Hautkrankheit, hat es auch gegeben. Und mehrere im Lager, vor allem Kinder, leiden an Durchfall und Erbrechen.

Schwierig, Infektionen zu vermeiden

Die Rotaviren gehen um. Aber längst nicht in dem Maße, wie es die Gerüchteküche verbreitet, betont Dr. Hofmann. Der Mediziner warnt auch vor Panikmache. Natürlich sei es schwierig, bei den Hunderten Menschen in der riesigen Halle Infektionen ganz zu vermeiden. Gerade auch, weil es schwierig ist, die Kranken zu isolieren. Die akut Erkrankten werden deshalb vorsorglich ins Krankenhaus gebracht.

Bisher hat es in der Einrichtung noch keine Fälle von gefährlichen Infektionskrankheiten gegeben. Dr. Hofmann hält es auch für unwahrscheinlich, dass die Asylbewerber massenweise schlimme Krankheiten einschleppen, die sich dann auch unter den Einheimischen verbreiten. „Wer einen guten Impfschutz hat, der braucht sich nicht zu fürchten“, sagt der Oberarzt.

Sprechzimmer ist ein Provisorium

Bis jetzt haben die Ärzte die Lage in der Einrichtung im Griff. Auch, wenn das unter diesen Bedingungen schwierig ist: Das „Sprechzimmer“ im Erstaufnahmelager ist ein Provisorium: zwei Behandlungsliegen, zwei Infusionsständer, ein bisschen Verbandsmaterial, ein paar Notfallmedikamente, Handschuhe, Desinfektionsmittel. Das Nötigste eben – schnell und unkompliziert zur Verfügung gestellt von den Oberlausitz-Kliniken. Dass es überhaupt eine ärztliche Versorgung im Flüchtlingslager gibt, ist der Eigeninitiative der Ärzte zu verdanken: Robert Hofmann hat Notarztdienst, als die ersten Flüchtlinge in Bischofswerda ankommen. Als er zu einem Einsatz in die Fabrikhalle gerufen wird, glaubt er seinen Augen nicht zu trauen: Hunderte Menschen in einer Halle, ein paar Bauzäune als Abtrennung, zwei Sanitärräume für alle, ein paar Dixi-Klos auf dem Hof. „Wie läuft denn das hier mit der medizinischen Betreuung?“, fragt er. Keiner kann es ihm sagen.

Zurück im Krankenhaus spricht der Chirurg mit Kollegen, ruft den Geschäftsführer der Oberlausitz-Kliniken an. Für so viele Menschen ist die Notfallambulanz im Krankenhaus nicht ausgelegt. Spontan ist die Idee der Sprechstunden vor Ort geboren. „Wir haben ganz einfach humanistisch und auch ganz pragmatisch entschieden“, sagt OLK-Geschäftsführer Reiner E. Rogowski. Inzwischen gibt es im Lager sogar eine Kinderarzt-Sprechstunde.

Zu wenig Personal

Die freiwillige Hilfe der Ärzte wird von den Flüchtlingen dankend angenommen. Was wäre, wenn es sie nicht geben würde? Robert Hofmann zuckt mit den Schultern. Bisher arbeiten die Ärzte im Camp allein aus humanitären Gründen, freiwillig, ohne Auftrag der Landesdirektion und auch ohne Legitimation. Wie lange das auf diese Weise weitergehen wird, ist auch eine Frage, die ihnen bisher niemand beantwortet hat. „Wir werden selbstverständlich weitermachen“, sagt Dr. Robert Hofmann. „Wir können gar nicht anders.“

Bisher sind die Sprechstunden der einzige Anlaufpunkt für die Flüchtlinge in Bischofswerda. Die offiziellen Aufnahmeuntersuchungen durch die Gesundheitsbehörde haben hier noch gar nicht stattgefunden. Normalerweise muss sich jeder Asylbewerber einem umfangreichen Gesundheitscheck unterziehen. Ohne die Untersuchung darf niemand das Erstaufnahmelager verlassen. Erst bei diesen Untersuchungen werden die Menschen auf Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Hepatitis, Malaria, Typhus oder Ruhr getestet. Weil für die Untersuchungen der Flüchtlinge momentan zu wenig Personal da ist, gibt es Stau. Wann die Bischofswerdaer Flüchtlinge an der Reihe sind, ist bisher noch gar nicht abzusehen.