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Ärger wegen Fahrbahnmarkierung

Verkehrszeichen müssen beachtet werden, solange sie öffentlich erkennbar sind. Das gilt auch dann, wenn die Stadt Görlitz mit einem vorgesehenen Abbau bummelt.

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© privat

Von Ralph Schermann

Görlitz. Die Geschichte einer Fahrbahnmarkierung auf der Dresdener Straße geht zurück bis in die Jahre nach der Wende. Nahe der alten, einst von der HO betriebenen Kaufhalle wurden Container für die Entsorgung von Altglas und Altpapier aufgestellt. Die Straße vor den Behältern bekam eine Grenzmarkierung. Solche als StVO-Zeichen geltenden Markierungen verlängern andere Halt- oder Parkverbote und werden volkstümlich einfach Zickzacklinie genannt.

Mit dem Bau der neuen Kaufhalle wurde 2005 der Containerstandplatz verlegt. Die Markierung aber blieb. Ein Görlitzer sah darin keinen Sinn – und parkte ab und an sein Auto dort. Das wiederum klappte problemlos – bis zum 26. Juni 2016. Da verpasste ihm eine Politesse ein Knöllchen. Der Mann zahlte, bat aber die Verwaltung, die Notwendigkeit der Zickzacklinie zu prüfen. Tatsächlich informierte die Straßenverkehrsbehörde am 10. Juli 2016, dass bei einer Ortsbesichtigung die Markierung als überflüssig erkannt und eine Anordnung an eine Görlitzer Verkehrstechnikfirma zur Entfernung erteilt wurde.

Aus dieser Information schloss nun der Anwohner, weiter auf der Markierung parken zu dürfen. Er sagte sogar anderen, die ihn vor Knöllchen warnten, dass er es „von der Stadt amtlich habe“, dass man die Markierung nicht mehr zu beachten braucht. Umso aufgebrachter war er, als am 18. September 2017 ihn erneut ein „Knöllchen“ traf. Da war die Markierung nämlich noch immer nicht entfernt. Erst am 29. Januar 2018 rückte die Firma an, um nach einer Frist von 18 Monaten endlich die überflüssige Straßenmarkierung abzutragen. Der Knöllchen-Empfänger schimpft: Wenn das schon über Gebühr lange dauert, hätten ja zumindest die Politessen vom Wegfall des Markierungssinns wissen müssen.

Ordnungsamtsleiterin Silvia Queck-Hänel widerspricht: „Vollzugsbediensteten kann nicht zugemutet werden, dass sie alle verkehrsrechtlichen Anordnungen ständig auswendig lernen, insbesondere, wo welche Regelung entfallen ist, jedoch das Zeichen noch steht.“ Politessen, Polizisten, Sicherheitswächter vertrauen, wie jeder andere auch, zunächst auf die Richtigkeit der Beschilderungen und Markierungen. Die Amtsleiterin gibt zudem zu bedenken, dass an der beanstandeten Markierung „für Dritte kein Mangel erkennbar war, im Gegenteil: Die Markierung erweckte vom äußeren Eindruck her eher den Sinn als Verlängerung des sich aus der Kaufhallen-Ausfahrt ergebenen Parkverbotes.“ Dass die Markierung ursprünglich einem ganz anderen Zweck diente, lässt sich also nicht mehr ausmachen – vielleicht für den Anwohner, nicht aber für die Allgemeinheit.

Damit wird auch gesagt, dass niemand berechtigt ist, Verkehrsregeln zu übertreten, weil er sie nach eigenem Ermessen auslegt. „Verkehrszeichen und -markierungen sind jederzeit von jedermann zu beachten, auch wenn sie möglicherweise rechtswidrig sein sollten oder diese durch verkehrsrechtliche Anordnung eigentlich bereits entfallen sind“, erklärt Silvia Queck-Hänel. Auch die Polizeidirektion Görlitz bestätigt diesen Grundsatz.

Zudem wäre es eine Ungleichbehandlung, wenn der betreffende Bürger keine Knöllchen bekommen hätte. Denn Fahrzeugführer, die nicht über das interne Wissen wie der Kritiker verfügten und ihre Fahrzeuge daher dort nicht abstellten, wären dann im Nachteil. Die Ordnungsamtsleiterin formuliert das so: „Ein Nichtahnden führt zur Privilegierung. Schon deshalb sind alle an dieser Stelle angezeigten Parkverstöße richtig geahndet worden.“ Eigentlich hat der schimpfende Bürger sogar noch Glück gehabt. Denn er hat ja sozusagen beweiskräftig zugegeben, jahrelang immer wieder bewusst sein Auto auf einer Parkverbot-Markierung abgestellt zu haben, was durchaus auch ein Bußgeldverfahren hätte begründen können.

Dennoch hat sich in diesem Fall auch die Stadtverwaltung nicht mit Ruhm bekleckert. Denn es wurde versäumt, die Durchsetzung der Anordnung zum Entfernen der Markierung zu kontrollieren. Sicher hat der Leiter des Bau- und Liegenschaftsamtes, Torsten Tschage, recht, wenn er darauf verweist, dass „vorrangig Markierungen verändert werden, die durch Befahrung schwer erkennbar oder unkenntlich wurden. Das nämlich dient der Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs.“ Entfernungen von weniger wichtigen Sperrflächen haben dabei keine Priorität. Doch auch Torsten Tschage ist bewusst, dass der Fall Dresdener Straße nicht in Ordnung war: „Das hätte nicht so unangemessen lange unausgeführt bleiben dürfen. Offensichtlich ist dies leider hier so passiert.“