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Ärger wegen Deichbau

Im kommenden Frühjahr sollen die Arbeiten für den Flutschutz in Fürstenhain starten. Doch einige Grundstücksbesitzer haben ein Problem.

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© Visualisierung/Landestalsperrenverwaltung

Von Ines Scholze-Luft

Radebeul. Sie ist weder gegen den Bau des Fürstenhainer Deiches. Noch dagegen, dass die Arbeiten so bald als möglich beginnen. Carola Naumann, sie wohnt auf der Kötzschenbrodaer Straße, sagt das mit großem Nachdruck. Auf ihrem Grundstück wird der Deich auslaufen. Überdimensioniert nennt die Radebeulerin den Bau. Doch das ist nicht der Grund, weshalb sie seit Monaten mit der Landestalsperrenverwaltung (LTV) im Streit liegt.

Hier soll der Fürstenhainer Deich einmal enden, auf dem zwischen Kötzschenbrodaer Straße und Auenweg gelegenen Grundstück von Carola Naumann (untere Hälfte).
Hier soll der Fürstenhainer Deich einmal enden, auf dem zwischen Kötzschenbrodaer Straße und Auenweg gelegenen Grundstück von Carola Naumann (untere Hälfte). © Norbert Millauer

Die will und kann nun, nach langem Hin und Her mit anderen Anliegern, endlich mit den Arbeiten beginnen. Wie vorgesehen noch dieses Jahr mit dem Freimachen des Baufelds, samt Baumfällungen und Beräumung. Um im Frühjahr 2017 mit dem eigentlichen Bau zu starten, sagt LTV-Betriebsleiter Eckehard Bielitz.

Allerdings würden einige Grundstückseigentümer der LTV trotz langer und intensiver Bemühungen noch immer keine Genehmigung zur Nutzung ihrer Grundstücke geben. Vom Deichbau betroffen sind insgesamt 59 Flurstücke mit 28 Eigentümern oder Eigentümergemeinschaften. Bei dreien steht die Einigung noch aus. Zu ihnen gehört Carola Naumann.

Für ihre Weigerung hat sie einen entscheidenden Grund. Naumann ist nicht einverstanden mit der Summe, die ihr von der LTV für ihr Land – etwa 650 von insgesamt knapp 4 000 Quadratmetern – geboten wird. Drei Euro pro Quadratmeter will die LTV zahlen. Das sei der Preis bei Kiesabbaugebieten oder reinem Grünland, sagt Naumann. Bei ihrem Grund und Boden handele es sich aber um baureifes Land, wie aus der aktuellen, für ganz Sachsen gültigen und von jedermann einsehbaren Bodenrichtwerttabelle hervorgeht. Mit 114 Euro sei der Quadratmeterpreis dort angegeben. Außerdem habe die LTV mehreren Nachbarn rundum wesentlich mehr gezahlt. Zehn Euro für Gartenland auf der anderen Seite des Auenweges. 78 Euro bei einem Grundstück nebenan.

Betriebsleiter Bielitz sieht die Problematik anders. Mit dem entsprechenden Planfeststellungsbeschluss habe die LTV zwar grundsätzlich Baurecht erhalten. Doch ohne Einverständnis des Eigentümers dürfe sie keine fremden Grundstücke nutzen. Allerdings habe der Beschluss eine sogenannte enteignungsrechtliche Vorwirkung. Können sich LTV und Eigentümer nicht einigen, kann die LTV rechtliche Schritte unternehmen wie Enteignung oder vorzeitige Besitzeinweisung.

Und um diese Besitzeinweisung geht es nun beim Grundstück Naumann. Die LTV habe die Eröffnung des Verfahrens beantragen müssen, damit der Flutschutzbau sich nicht verzögert, so Bielitz. Die LTV könne die finanziellen Forderungen von Frau Naumann nicht erfüllen, weil die für den Bau beanspruchten Flächen derzeit kein Bauland, sondern Grünland/Gartenland sind. Außerdem seien keine Überlegungen oder gar Aktivitäten der Stadtverwaltung Radebeul bekannt, die betreffenden Flächen als Bauland zu entwickeln. „Derzeit endet das Bauland praktisch an der Terrasse von Frau Naumanns Haus und damit weit oberhalb des Baufeldes.“ Deshalb habe die LTV keine Rechtsgrundlage für eine Entschädigung in Höhe des Bodenrichtwertes für Bauland. Daran könne auch kein Gutachter auf legale Weise etwas ändern.

Allerdings ruht das Besitzeinweisungsverfahren jetzt. Bielitz zufolge wird ein letzter Versuch einer gütlichen Einigung unternommen. Deshalb prüfe der Anwalt von Frau Naumann das durch die LTV beauftragte Verkehrswertgutachten, das von einem öffentlich bestellten, vereidigten Sachverständigen erstellt wurde und das die Grundlage des finanziellen Ausgleichs für den Flächenverlust bildet. Bis Donnerstag soll die abweichende Auffassung zum Gutachten schriftlich begründet werden. Bis Montagmittag lag der LTV noch kein entsprechender Schriftsatz vor.

Gibt es keine Einigung, wird das Besitzeinweisungsverfahren fortgesetzt, so Bielitz. Bei positivem Ausgang, für die Flutschutzmaßnahme, dürfen LTV oder Baufirma das Grundstück betreten und benutzen. Bis dahin könne die LTV den Auftrag aber nicht vergeben, weil sonst der Bau behindert werden könnte und so hohe Mehrkosten entstehen würden.

Was Carola Naumann neben dem Preis noch ärgert: Dass der Deich von ursprünglich 490 Metern Gesamtlänge auf 370 Meter verkürzt wurde und ihr Grundstück nicht richtig geschützt ist. Auch für diese Veränderung hat Bielitz eine Erklärung. Es wurde erkannt, dass sich im gekürzten Bereich hinter dem ehemals geplanten Deich laut Flächennutzungsplan nur landwirtschaftliche Nutzflächen befinden. Der Teil der Flurstücke, der als Wohnbaufläche ausgewiesen wird, liege bei einem HQ100 (hundertjähriges Hochwasser) hoch genug, um nicht betroffen zu sein. Da für Landwirtschaftsflächen ein wesentlich geringerer Schutz vorgesehen ist, wurde dort auf eine HQ100-Vorsorge verzichtet. Nach dem Grundsatz, möglichst keine oder wenig Eingriffe und sparsamer Umgang mit öffentlichen Mitteln, so Bielitz.

Die LTV könne und dürfe keinen Hochwasserschutz für Einzelinteressen realisieren, sondern für die Allgemeinheit und in öffentlichem Interesse. Das sei Frau Naumann bereits im Genehmigungsverfahren dargelegt und ihre Forderungen als unbegründet zurückgewiesen worden.