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Ärger um wandernde Schafe

Schäfer Martin Klemm zieht mit seiner Familie nach Polen. Eine Zwischenstation ist Zittau. Das ruft die Behörden auf den Plan.

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© Symbolfoto: dpa

Von Matthias Klaus

Familie Klemm hat Stress. Da muss gemolken werden, da ist Heu zu transportieren, da ist dies und das zu organisieren. Und das alles per Fahrrad. Ein anderes Transportmittel für kurze Wege hat die Familie nicht. Die Schafe der Klemms grasen inzwischen am Eisenbahnviadukt an der Neiße. „Wir sind der Landestalsperrenverwaltung dankbar, die das so unbürokratisch möglich gemacht hat“, sagt Martin Klemm. Dann muss der 35-Jährige gleich wieder los.

Klemms sind Schäfer auf der Wanderschaft. Sie kommen aus Thüringen, aus Bad Klosterlausnitz, Mutter, Vater, drei Kinder. rund 60 Schafe gehören dazu, außerdem Rinder. Der gelbe, hölzerne Familien-Wohnwagen, der von zwei Ochsen gezogen wird, steht derzeit in Zittau. Vor einigen Tagen war er noch in Hartau platziert, gar nicht weit vom jetzigen Standort entfernt. Dort allerdings gab es Ärger für die Wanderschäferfamilie. „Einige wenige Leute haben sich negativ geäußert“, formuliert es der Leiter des Zittauer Bürgeramtes, Uwe Pietschmann, vorsichtig. Konkret habe es in Hartau drei Beschwerden gegeben. Die betrafen etwa die sanitären Verhältnisse. Der Wohnwagen verfügt offenbar nicht über eine Toilette. Zudem gab es Ärger, weil Schafe ihre Notdurft auf öffentlichen Wegen verrichteten. „Die Kollegen vom Gemeindevollzugsdienst waren vor Ort“, schildert der Zittauer Amtsleiter. Viel zu kritisieren hatten sie offenbar nicht. Doch am Ende zog die Familie nach Zittau, weg aus dem Ortsteil Hartau. Inzwischen wurde auch der Landkreis auf die wandernde Schäferfamilie aufmerksam. „Das Veterinäramt war vor Ort“, bestätigt Landkreis-Sprecherin Marina Michel. Warum genau, bleibt offen, sicherlich betraf die Visite den gesundheitlichen Zustand der Tiere. „Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, können wir dazu keine weiteren Auskünfte geben“, sagt Frau Michel.

Ärger mit der Obrigkeit,  das kennt Martin Klemm. Im Mai sollte er im thüringischen Hermsdorf ein Bußgeld zahlen, weil seine Schafe auf dem Weg zur Weide die Straßen verunreinigt haben sollen. 65 Euro standen zur Debatte. Klemm wehrte sich mit einer Demo vor dem Stadthaus gegen die zwischenzeitlich angedrohte Beugehaft. Verunreinigte Straßen dürften allerdings inzwischen ein kleineres Problem für die Familie geworden sein. Das Dreiländereck, Zittau ist für Klemms nur ein Zwischenstopp. „Wir werden am 9. Dezember nach Polen weiterreisen“, sagt Martin Klemm. Dort will sich die Familie niederlassen. Zuvor hatte sie in Tschechien und Polen nach geeigneten Unterkünften gesucht.

Der Grund für diese Aktion: Klemms möchten ihre drei Kinder zu Hause unterrichten. Das ist in Deutschland schwierig, nahezu unmöglich. Denn hierzulande besteht Schulpflicht. Hausunterricht ist nur in sehr wenigen Ausnahmefällen möglich – beispielsweise wenn die Eltern im Ausland arbeiten oder die Kinder krankheitsbedingt nicht transportfähig sind. In Polen ist das Ganze ein wenig anders. Die Verfassung garantiert den Eltern die freie Schulwahl und auch den Heimunterricht – Letzteren allerdings unter strengen Auflagen. Laut Bildungsgesetz haben lokale Schulen in Polen die Aufsicht über Heimschulen. Eltern müssen den Anforderungen der lokalen Schulbehörden Folge leisten. Derzeit gibt es etwa 40 Familien im benachbarten Polen, die ihre Kinder zu Hause unterrichten.

Das Zittauer Bürgeramt jedenfalls hat gegenüber dem Jugendamt des Kreises eine Verdachtsanzeige gestellt. Dabei geht es vor allem um den fehlenden elektrischen Strom und die nicht vorhanden Sanitäranlagen im Wohnwagen. „Die Einhaltung der Schulpflicht ist nicht Sache der Stadt“, so der Bürgeramtschef Uwe Pietschmann.

Das Jugendamt sei auch schon da gewesen, sagt Martin Klemm. „Wenn das Jugendamt einen Hinweis auf Verdacht der Vernachlässigung von Kindern erhält, wird es diesem auch nachgehen und entsprechende Konsequenzen ziehen, Auflagen erlassen oder im schlimmsten Fall die Kinder in Obhut nehmen“, teilt dazu Landratsamt-Sprecherin Marina Michel mit. Auskünfte zu Einzelfällen seien der Behörde aber aus Gründen des Datenschutzgründen nicht erlaubt. Familie Klemm bereitet derweil weiter ihre Abreise aus Zittau vor. Am 9. Dezember soll es so weit sein. Klemms haben in Polen ein Winterquartier gefunden. Das gilt es nun herzurichten „Was dann im nächsten Frühjahr passiert, mal sehen“, sagt Martin Klemm.