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Ärger mit der Fahrkarte

Sylke Neuhäuser verborgt ihre Jahreskarte an eine Kollegin. Die wird kontrolliert und muss Strafe zahlen.

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© Sven Ellger

Von Tobias Wolf

Sylke Neuhäuser hat diese Geschichte immer noch nicht ganz verwunden. Sie fühle sich ungerecht behandelt von den Dresdner Verkehrsbetrieben (DVB), sagt die 43-jährige Mitarbeiterin einer Versicherung. Und das, obwohl sie ihre Fahrkarte immer bezahlt hat – im Voraus.

Es ist der 1. Oktober 2015, als Neuhäuser wie jeden Tag mit der S-Bahn von Freital nach Dresden fährt. Ihr Arbeitsplatz liegt in der Dresdner Neustadt. Nicht weit von der Haltestelle Palaisplatz entfernt berät sie mit mehreren Kolleginnen Kunden, die eine Versicherung abschließen wollen. Neuhäuser hat eine Jahreskarte der Deutschen Bahn, die auch für die Dresdner Verkehrsbetriebe gilt. Für jeden Monat gibt es einen Papierabschnitt. So weit, so in Ordnung. Am Monatsersten hat sie aber immer noch den Septemberschnipsel im Portemonnaie, als sie ihre Kollegin Klara Johanna Schulze um die Karte bittet.

Die 64-Jährige will schnell zu einer Untersuchung ins Uni-Klinikum fahren. „Wenn ich mal tagsüber in der Stadt irgendwohinmuss, leihe ich mir immer ihre Karte“, sagt Schulze. Denn ihr Auto steht einen guten Fußmarsch entfernt hinter der Marienbrücke. Zu weit, um mal fix in die Innenstadt zu fahren, sagt sie. Zumal es dort kaum Parkplätze gebe. An diesem Donnerstag soll es in die Johannstadt gehen. Schulze nimmt die Bahn vom Albertplatz zur Fetscherstraße. „Eine Haltestelle, bevor ich aussteigen wollte, kamen am Trinitatisfriedhof die Kontrolleure“, sagt sie.

Die bemängeln den abgelaufenen Fahrschein. Schulze hätte sich von Neuhäuser den Oktoberschnipsel der Jahreskarte geben lassen müssen. Dass die Karte bezahlt ist und es sich nur um ein Versehen handelt, lassen die Männer nicht gelten. Schulze soll ein „erhöhtes Beförderungsentgelt“ zahlen. Das ist das Strafgeld für Schwarzfahrer. Das DVB-Kundencenter halbiert später die Summe auf 30 Euro. Es soll ein Entgegenkommen sein. Den Septemberschnipsel ziehen die Kontrolleure ein. Schulze muss für die Rückfahrt ein neues Ticket kaufen. Auch Kollegin Neuhäuser braucht nun einen neuen Schein. „Ich hatte ja plötzlich keine Fahrkarte mehr und musste wieder nach Hause fahren“, sagt Neuhäuser. Sie spricht im Kundencenter vor und will die Strafzahlung für ihre Kollegin noch abwenden. Vergebens. Auch die zusätzlich gekaufte Fahrkarte bekommt sie nicht ersetzt. „Die Bahn ist kulant und lässt die alte Karte einen Tag später noch gelten“, sagt Neuhäuser. Warum die DVB dies nicht auch tun, kann sie nicht verstehen. „Dabei ist es eine Jahreskarte.“ Über Wochen entspinnt sich ein Briefwechsel. Neuhäuser schreibt Beschwerden, die Antworten gehen an ihre Kollegin. Das ärgert die Versicherungsangestellte.

DVB-Sprecher Falk Lösch stellt klar, dass der Datenschutz eine Antwort an Neuhäuser verbiete. „Wenn die Kollegin erwischt wurde, können wir nicht einfach mit Dritten korrespondieren, es sei denn, wir haben eine Vollmacht vorliegen“, sagt Lösch. Über den Vorwurf fehlender Kulanz sagt er: „Kulanz ist an Regeln gebunden und wird vom Unternehmen freiwillig gewährt, das kann man nicht einfordern.“ Außerdem sei die Strafe halbiert worden, dies sei Kulanz. Es gebe Vorfälle, bei denen bewusst getäuscht werde. Da würde einer mit der neuen Monatskarte fahren und seinen alten Schnipsel an eine zweite Person geben. „Das hat mir der Kontrolleur indirekt unterstellt“, sagt Schulze. „Es gibt bestimmt viele, die das tun, aber ich wäre gar nicht darauf gekommen.“ Um den Vorwurf zu entkräften, schicken die Frauen eine Arbeitszeitaufstellung an die DVB, die beweisen soll, dass Neuhäuser zur fraglichen Zeit im Büro war. Vergebens, Klara Johanna Schulze ärgert sich, dass sie nun auf der Schwarzfahrerliste stehe, wie sie es nennt.

Die Deutsche Bahn (DB) sieht das Thema Kulanz ähnlich wie die DVB. „Wenn sich unsere Kundenbetreuer gegenüber der Kundin kulant verhalten haben, ist das ein freundliches Entgegenkommen, woraus sich kein Rechtsanspruch ableitet“, sagt ein DB-Sprecher. Die Kundin habe darauf zu achten, im Besitz einer gültigen Monatskarte zu sein. Neuhäuser und Schulze hoffen trotzdem, dass sie von den DVB eine Entschädigung für den Ärger bekommen.