Merken

Advent in fremden Wohnungen

Beim sogenannten lebendigen Advent öffnet alle zwei Tage ein Mitglied der Zionsgemeinde seine Tür für die anderen.

Teilen
Folgen
© sächsische zeitung

Von Sarah Grundmann

Plätzchenduft steigt einem in die Nase, als sich die Tür der Familie Zimmermann öffnet. Die Altbauwohnung am Münchner Platz ist in weihnachtlich-schummriges Licht getaucht, der Flur ist festlich geschmückt. Aufgeregt springen die zwei Kleinsten der Zimmermanns in der Diele auf und ab, die drei anderen Kinder des Ehepaars Georg und Carola Zimmermann sind nicht zu Hause. Sie sind zu einem Adventsausflug gefahren.

Doch der fünfjährige Josua und die zwei Jahre jüngere Miriam sind trotzdem beim lebendigen Advent dabei. Alle zwei Tage öffnet ein anderes Mitglied der Zionsgemeinde auf der Bayreuther Straße seine Türen und lädt die anderen zu sich ein. Kürzlich waren die Zimmermanns an der Reihe – zum ersten Mal.

Dementsprechend hibbelig waren Josua und Miriam. Eine halbe Stunde, bevor sich der Besuch angekündigt hatte, packten die Kleinen bereits kräftig bei den Vorbereitungen mit an. „Wir müssen noch die Schneeflocken verzieren“, ruft die Dreijährige. „Das sind die Plätzchen, die wir gebacken haben.“ Dann hüpft sie aufgeregt ins Wohnzimmer. Auch dort ist alles auf den Anlass abgestimmt: Eine mit Kerzen beleuchtete Pyramide an der Decke, ein Adventskranz auf dem Stubentisch und eine Reihe von sechs Nußknackern auf der Vitrine. „Einer für jedes Kind – und den kleinsten für meinen Mann“, sagt die 41-jährige Mutter und lacht.

Als Gastgeber ist das Ehepaar, das vor sieben Jahren nach Dresden gezogen ist, zwar zum ersten Mal bei der Aktion der Zionsgemeinde dabei. Doch seit 2012 haben sie selbst den anderen Mitgliedern schon den einen oder anderen Besuch abgestattet. „Es ist doch schön, die Adventszeit mal anders als mit der Jagd nach Geschenken oder dem Gedränge auf dem Striezelmarkt zu gestalten“, sagt Carola Zimmermann. Das genießen auch die anderen Gläubigen aus der Zionskirche.

Gegen 19 Uhr füllt es sich langsam in der Wohnung der Familie, mit etwa 10 Gästen ist es diesmal richtig voll. Darunter ist auch Susanne Höhn. Sie ist mit ihrem Mann erst vor vier Jahren nach Dresden gezogen und hat durch die Tradition hier schnell Anschluss gefunden. „Als wir unsere Türen geöffnet haben, waren wir ja noch ganz neu in der Gemeinde“, erinnert sie sich. „Es waren natürlich alle neugierig, und deshalb kamen sehr viele.“ Die Tradition des lebendigen Advents kannte die Wahl-Dresdnerin zwar bereits aus den alten Bundesländern, mehrere Jahre hat sie in Wiesbaden und Stuttgart gelebt. Ursprünglich soll der Brauch allerdings aus den erzgebirgischen Dörfern stammen. Doch in Dresden sei es irgendwie etwas anderes. „Es gibt einfach einen besonderen Zusammenhalt in der Kirche – und auch in dem Stadtteil“, so Höhn. Das sieht nicht nur die Wahl-Dresdnerin so.

Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass die Südvorstadt-West immer beliebter wird. Waren es hier vor 15 Jahren gerade einmal 9 500 Einwohner, leben heute bereits knapp 12 000 Menschen in dem Stadtteil. Vor allem Familien und junge Menschen zieht es dorthin. Wegen der Uninähe haben hier viele Studenten ihre Wohnung. Einige von ihnen besuchen die Zionsgemeinde, auch sie nehmen an der Aktion „Lebendiger Advent“ teil. „Ich finde es toll, dass jeder seinen Abend etwas anders gestaltet“, sagt Höhn.

So zeigen die Zimmermanns ihr alltägliches Leben zur Adventszeit. Um nicht so viel vor dem Fernseher zu sitzen, wird bei der Familie jeden Abend eine Geschichte gelesen. Und eine solche bekommen an diesem Abend auch die Gäste zu hören. „Auf dem Weg zur Krippe“ handelt von Notleidenden und der Notwendigkeit des Teilens. Eine wichtige Botschaft – gerade in den heutigen Zeiten – findet auch Kirchenvorstand Cornelia Mossal, die an diesem Abend ebenfalls bei den Zimmermanns zu Besuch ist. „Wir sollten wieder mehr innehalten und uns auf den Ursprung des Weihnachtsfestes besinnen“, sagt sie. „Den kennt heutzutage leider fast keiner mehr.“