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Aderlass auf dem Lande

Von der Bank über die Post bis hin zu Bus und Bahn – was ist seit 1989 verschwunden? Ein Ortsvorsteher listet auf.

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© Claudia Hübschmann

Von Udo Lemke

Klipphausen. Gerd Mehler ist Ortsvorsteher in Miltitz. Auf Bitten der SZ hat er einmal zusammengetragen, wie sich die Versorgungslage in diesem Teil der Großgemeinde Klipphausen in den vergangenen 27 Jahren verändert hat.

Hier seine Ausführungen zum Ortsteil Munzig: „Anfang 90er Jahre zwei Konsumläden weg, dafür seit 1993 bis heute Triebischtaler Frischemarkt mit Getränkemarkt im ehemaligen ,Kartoffellager‘; Bäcker hat in 90er Jahren aufgehört, war dann noch kleiner Einkaufsladen; Poststelle wurde aufgegeben; Kulturhaus Munzig nach 1990 ,Belgisches Einkaufscenter‘ (oder so ähnlich), dann wieder Kulturhaus Triebischtal, heute herrscht Ruhe. Tischlerei um 1990 geschlossen, Mopedwerkstatt Ritter wurde Autowerkstatt, heute Betriebsteil von Autoservice Winkler Meißen. Kinderheim um 1994 geschlossen, nach 2000 G. Heidig mit kurzzeitigen Hofladen. Kindergarten Munzig Anfang 1990er Jahre geschlossen. Pappenfabrik Munzig, früher deutlich über 100 Beschäftigte, heute Bituwell und Baustoffhandel 6 bis 10 Beschäftigte.“

In diesem Telegrammstil geht es weiter, werden die heutigen Klipphausener Ortsteile Miltitz und Roitzschen, Garsebach, Robschütz und Semmelsberg betrachtet. Eine Aufzählung, die man stellvertretend für alle 43 Ortsteile der zweitgrößten Gemeinde Sachsens nehmen kann. Es zeigt sich, dass es seit der Wende einen umfassenden Umbau der für das tägliche Leben wichtigen Infrastruktur gegeben hat.

Dabei sind vielfach buchstäblich die Lebensadern gekappt worden. Auch in Miltitz und Roitzschen ist der Konsum geschlossen worden. Zunächst zog die Sparkasse in das Gebäude. Die Filiale ist inzwischen geschlossen wie auch die der Raiffeisenbank. Aber nicht nur die Banken haben sich aus der Fläche verabschiedet – inzwischen sind vielerorts auch die Geldautomaten wieder abgeschafft worden –, sondern auch die Post. Bis Ende Februar 2017 gab es noch eine Postfiliale mit im Blumengeschäft. „Post jetzt zu und kein Briefkasten mehr an Triebischtalstraße in Miltitz und Roitzschen!“

Auch, was die Mobilität betrifft, sind Verluste zu beklagen. Der Bahnhof Miltitz-Roitzschen wickelte bis 1994 noch Güterverkehr ab, bis Ende 2015 noch Personenverkehr. Wann der Stadtverkehr Meißen mit Bussen bis Garsebach abgewickelt worden ist, weiß Gerd Mehler nicht mehr genau zu sagen – „um 1990?“

Nächstes Kapitel – Bildung: Die Oberschule Miltitz ist 1992 eingestellt worden, die Grundschule wurde 1997 geschlossen. Insgesamt sind im heutigen Gemeindegebiet von Klipphausen seit der Wende die Oberschulen in Burkhardswalde, Miltitz, Pegenau und Taubenheim geschlossen worden, außerdem die Grundschulen in Garsebach und Weistropp. Für den Bau von zwei neuen Grundschulen hat die Gemeinde vom Land ebenso kein Geld erhalten, wie sie es für den bevorstehenden Bau einer neuen Oberschule in Ullendorf nicht erhalten wird. Nicht nur dieser Umstand bringt den Klipphausener Bürgermeister Gerold Mann auf die Palme. Es ist die generelle Entmündigung der Gemeinde durch Bürokraten – sitzen sie nun im Meißener Landratsamt oder in Dresdner Ministerien: „Es kann doch nicht sein, dass die gewählten Vertreter der Gemeinden kaum noch ein Mitspracherecht haben, was ihre eigenen Angelegenheiten betrifft.“