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Addieren und Subtrahieren

Im Glashütter Uhrenmuseum wird in einer neuen Schau gerechnet. Anfassen der Exponate ist ausdrücklich erlaubt.

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© Frank Baldauf

Von Maik Brückner

Glashütte. Eigentlich gilt auch im Uhrenmuseum: Anfassen verboten! Nun weicht das Museum von dieser Regelung ab. Wer möchte, kann in einem bequemen Stuhl Platz nehmen und sich wie ein Firmenboss fühlen, der vor 80 Jahren eine der Glashütter Firmen leitete. Möglich ist das im Sonderausstellungsraum. Hier hat das Team um Lutz Roscher ein Direktorenzimmer im Ambiente der „Goldenen Zwanziger“ aufgebaut. Besucher dürfen hier auch mit der Rechenmaschine arbeiten, die auf dem Tisch steht. Sie ist das Herzstück des Zimmers und steht für das Thema der neuen Sonderausstellung „Ausgerechnet“. In der geht es mal nicht um Uhren, sondern um deren Verwandte, die Rechenmaschinen.

Das ist die zweite in Glashütte produzierte Rechenmaschine: Hergestellt wurde sie von Curt Dietzschold.
Das ist die zweite in Glashütte produzierte Rechenmaschine: Hergestellt wurde sie von Curt Dietzschold. © Frank Baldauf
Die Rechenmaschine Archimedes (hier das Modell GEMR von 1931) gehörte zu den meistproduzierten.
Die Rechenmaschine Archimedes (hier das Modell GEMR von 1931) gehörte zu den meistproduzierten. © Frank Baldauf

Jahrzehntelang wurden sie in Glashütte hergestellt. „Ende der 1920er-Jahre beschäftigten deren Hersteller um die 400 Leute in Glashütte“, berichtet Museumsleiter Reinhard Reichel. Die Uhrenindustrie lag da am Boden. Denn Deutschland steckte in einer wirtschaftlichen Krise. Die Inflation ließ die Leute verarmen, Uhren waren Luxus. Hoch im Kurs standen dagegen die Rechenmaschinen. „Damals wurde viel gerechnet“, sagt Reichel. Die Maschinen waren dabei zuverlässige Helfer.

Anlass, sich gerade jetzt den Rechenmaschinen zuzuwenden, gab ein Jubiläum. Vor genau 140 Jahren stellte der aus Dresden stammende Diplom-Maschinenbauingenieur Curt Dietzschold die erste in Glashütte gebaute Rechenmaschine vor. Dass das in Glashütte erfolgte, war kein Zufall. In der Uhrenstadt gab es gut ausgebildete Feinmechaniker und talentierte Uhrmacher, die man schnell einarbeiten konnte. Schließlich kannten sich diese Facharbeiter mit Zahnrädern und Getrieben bestens aus. Dietzscholds Nachfolger Arthur Burkhard gelang es 1878, Rechenmaschinen industriell herzustellen. Die von ihm geleitete erste deutsche Rechenmaschinen-Fabrik legte den Grundstein dafür, dass Glashütte in der Branche zu einem der wichtigsten Produktionsstandorte im Deutschen Reich wurde. Mit den Jahren wurden die Maschinen immer besser, dennoch gab es auch in dieser Branche ein Auf und Ab. Firmen gingen pleite, neue wurden gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Produktion weiter. Die Zahl der Mitarbeiter im neu gegründeten VEB Archimedes Rechenmaschinen-Fabrik stieg 1950 auf gut 100 Mitarbeiter. Zehn Jahre später wurde die letzte Maschine gefertigt. Das Zeitalter der elektronischen Rechenmaschinen hatte begonnen, die mechanischen hatten ausgedient. Das Uhrenmuseum dokumentiert die technische Entwicklung mit einer Reihe von Exponaten, die zum größten Teil das Arithmeum der Universität Bonn als Leihgaben zur Verfügung gestellt hat. Darunter ist auch ein Nachbau der ersten Rechenmaschine für alle vier Grundrechenarten. Diese wurde vom Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz 1694 gebaut. Auch eine der ersten in Glashütte montierten Rechenmaschinen wird gezeigt. In der Ausstellung laufen auch kurze Erklärvideos. Außerdem hat Lutz Roscher ein Modell aufgebaut, dass die Funktionsweise der Maschinen verdeutlicht. Gleich daneben steht ein Gerät ohne Gehäuse. Dieses ermöglicht den Besuchern einen Blick ins Innere.

Das Uhrenmuseum hofft, dass die Ausstellung viele Zeitzeugen motiviert, ins Museum zu kommen, sagt Reichel. Bisher habe man von denen immer etwas zum Thema erfahren, was noch nicht bekannt war.

Uhrenmuseum, täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet; Eintritt: 7 Euro (ermäßigt 4,50 Euro)