Merken

Achtung, Nichtschwimmer!

In der Oberlausitz können 30 Prozent der Kinder nicht sicher schwimmen. Das fällt auch im Südkreis zunehmend auf.

Teilen
Folgen
NEU!
© Rafael Sampedro

Von Susanne Sodan

Ob ein Kind sicher schwimmen kann oder nicht, erkennt Jörg Nießner auf den ersten Blick. „Wir sehen es sofort daran, wie sich die Kinder im Wasser bewegen“, erklärt der Schwimmmeister des Olbersdorfer Erlebnisbades. Stimmen die Arm- und Beinbewegungen, hat das Kind einen ordentlichen Brustschwimmstil oder suchen die Füße schnell wieder den Boden? Bei einer Gruppe von 30 Grundschulkindern, schätzt Jörg Nießner können drei bis fünf nicht sicher schwimmen. Laut einer bundesweiten Umfrage ist die Zahl noch deutlich höher: Demnach sind mittlerweile 59 Prozent der Zehnjährigen keine sicheren Schwimmer. Eine Zahl, die über die Jahre immer weiter angestiegen ist.

Dabei gehört Schwimmen an den sächsischen Schulen zum Sportunterricht der zweiten Klasse, das gesamte Schuljahr über. Zum Abschluss erhalten die Kinder eine Schwimmnachweis-Urkunde, erklärt Sebastian Handrick von der Regionalstelle Bautzen der Bildungsagentur. Zensuren gebe es nicht – viele Kinder legen aber die Seepferdchen-Prüfung ab: Sprung vom Beckenrand, 25 Meter schwimmen, einen Gegenstand aus schultertiefem Wasser holen.

Das Seepferdchen aber werde häufig überschätzt, sagt David Kupke, Vorsitzender der DLRG Zittau. Deren Rettungsschwimmer achten unter anderem auf die Badegäste am Olbersdorfer See und die Sicherheit von Kindergruppen in mehreren Schwimmbädern. „Die Eltern denken womöglich, das Seepferdchen reicht aus“, sagt Kupke. „Aber dieses Abzeichen besagt lediglich, dass ein Kind sich eine Zeit lang über Wasser halten kann, aber nicht, dass es wirklich ordentlich schwimmen kann.“

So lautet auch die Einschätzung von Achim Wiese, Sprecher des Bundesverbandes der DLRG. Was sicheres Schwimmen bedeutet, erklärt er mit einem klassischen Beispiel: Ein Kind treibt mit der Luftmatratze unbemerkt zu weit auf einen See hinaus, wegen einer Windböe kippt die Luftmatratze, das Kind landet im Wasser. Plötzlich muss es mit mehreren unerwarteten Faktoren umgehen, erklärt Wiese: der erste Schreck, der plötzliche Temperaturunterschied, womöglich auch, dass man mit dem Kopf unter Wasser geraten ist. Und das Ufer ist plötzlich weiter weg als gedacht. Um mit dieser Situation umgehen zu können, brauche es Orientierungsfähigkeit und ausdauerndes Schwimmen. „Wir sagen: Als sichere Schwimmer gelten Kinder, die die Anforderungen für das Jugendschwimmabzeichen Bronze erfüllen“, erklärt Achim Wiese. Dafür muss man 200 Meter in 15 Minuten schaffen, einen Gegenstand aus zwei Meter tiefem Wasser holen und aus einem Meter Höhe ins Wasser springen. Die Bautzener Bildungsagentur – zuständig für die Landkreise Görlitz und Bautzen – nimmt genau die gleiche Einteilung vor. Und genaue Zahlen für die Oberlausitz: 70 Prozent aller Kinder verfügen hier über die Fähigkeiten für den Jugendschwimmpass Bronze oder sogar Silber – und gelten damit als sichere Schwimmer. 30 Prozent sind Nichtschwimmer oder verfügen über die Fähigkeiten für das Seepferdchen – und gelten damit als nicht sichere Schwimmer.

Dafür, dass ihre Zahl bundesweit gestiegen ist, sieht Achim Wiese unter anderem in familiäre Gründe. Viele Eltern würden heute mit ihren Kindern weniger oft schwimmen gehen. Aus wiederum mehreren Gründen, erklärt er: „Deutschlandweit haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Bäder geschlossen.“ Für die Eltern bedeutet das zum einen längere Anfahrtswege. „Dazu kommen die Eintrittspreise, vielleicht noch eine Kursgebühr. Das können sich nicht mehr alle leisten“, so Achim Wiese. Die Beobachtung hat auch David Kupke gemacht. „Die bezahlbaren Bäder sind weniger und die Anfahrtswege weiter geworden.“ Die DLRG Zittau bietet Schwimmkurse für Kinder in Zittau, Großschönau und Rumburk an. „Wir haben dort aber nicht nur Kinder aus der unmittelbaren Region, sondern zum Beispiel auch aus Neugersdorf und Löbau. Manche fahren eine dreiviertel Stunde zum Kurs.“ Auf der einen Seite seien die Wartelisten für einen Kursplatz lang, sagt David Kupke. Auf der anderen Seite hat er den Eindruck, dass der Stellenwert des Schwimmens allgemein in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen habe.

Ob ein Kind gut schwimmt oder nicht, hänge zu einem großen Teil vom Verhalten der Eltern ab, darin sind sich DLRG und Schwimmmeister einig. „Es hat einen großen Einfluss, ob die Kinder durch die Eltern ans Wasser gewöhnt sind oder nicht“, sagt Oliver Ernst, Leiter des Waldbades Bernstadt. Regelmäßig Schwimmen gehen, ist eine Möglichkeit, die Angst vorm Wasser zu nehmen. Ein paar Grundlagen lassen sich aber zum Beispiel auch in der heimischen Badewanne üben, sagt Oliver Ernst. „Dort kann das Kind mal abtauchen.“ Oder mal probieren, ob denn möglich ist, die Augen unter Wasser kurz zu öffnen.

Diesen Hinweis gibt auch die Bildungsagentur. „Aus Sicht der Regionalstelle Bautzen ist die Unterstützung der Vorbereitung des Schwimmunterrichts durch die Eltern äußerst wichtig“, teilt Sebastian Handrick mit. „Bereits die einfache Gewöhnung an Wasser, zum Beispiel mit der Beseitigung der Angst vor dem Duschen, ist dabei hilfreich.“

Mit dem Schwimmunterricht an den Grundschulen in der Oberlausitz ist die Regionalstelle zufrieden. Für das Schulschwimmen würden acht Schwimmsportzentren mit sehr guten Bedingungen zur Verfügung stehen, erklärt Sebastian Handrick. Die Ausfallstunden seien minimal.