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Ach, du mein Stollen

Das Stollenmädchen hilft beim Riesenstriezel-Backen. Oder jedenfalls bei der Werbung dafür.

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© Christian Juppe

Von Ronja Münch

Ganz vorsichtig fasst Marie Lassig den Stollenteig an. Sanft drückt sie ihn auseinander. Als sie ihn zaghaft hochhebt, hängt er so sehr durch, dass man Angst hat, gleich fällt alles auseinander. Das passiert nicht, aber klar ist: Stollenmädchen Marie ist nicht wirklich die Expertin, als welche sie beworben wird, und sie packt auch nicht ganz so kräftig an. Dafür ist sie aber auch nicht da. Eigentlich wird Marie Lassig im Dresdner Backhaus zur Konditorin ausgebildet. Doch momentan posiert sie häufiger im adretten Kleid für die Kamera, als in Bäckerschürze mit Teig zu hantieren. Mit einem breiten Lächeln, von einem Ohr zum anderen, wirbt sie für den Striezel. Um dann zwischendurch in echtes, fröhliches Lachen auszubrechen, wenn die Fotografen wieder eine neue Pose verlangen.

So unterstützt sie fürs Foto auch Backhaus-Chef Tino Gierig beim Fertigen der Striezelplatten für den Dresdner Riesenstollen. Während Marie vorsichtig ist, packt Gierig den Teig wirklich kräftig an. „Die Bäcker sind da ein bisschen grober als die Konditoren“, sagt die 21-Jährige lachend. Mit ihrer offenen, sympathischen Art dürfte sie bei der Werbung für den Dresdner Christstollen viele offene Türen einrennen. An die Blitzlichtgewitter hat sie sich auch schon gewöhnt. „Ich find‘s lustig mit den Fotografen.“

Dabei ist der Striezel eigentlich eine ganz ernste Sache. Die Prüfung ist streng, nicht jeder bekommt das Siegel „Dresdner Christstollen“. Die Methoden erinnern an Stiftung Warentest. „Die Stollen werden anonym eingekauft“, sagt Backhaus-Inhaberin Elisabeth Kreutzkamm-Aumüller, die auch zugleich Vorstandsmitglied beim Schutzverband Dresdner Stollen ist. Sie würden außerdem nicht nur im jeweiligen hauseigenen Laden gekauft, sondern auch im Supermarkt und über das Internet, die Qualität muss überall stimmen.

Für den Riesenstollen gilt das natürlich ebenso, die Striezelplatten kommen von Bäckereien und Konditoreien in ganz Dresden. Sie alle müssen sich an die Grundzutaten halten: Mehl, Butter, Zucker, Orangeat, Zitronat, Mandeln und Sultaninen. Jeder hat aber trotzdem sein eigenes Rezept. Denn der Riesenstollen besteht aus vielen einzelnen Teilen, die dann am 1. Advent mithilfe von Butter und Zucker zusammengeklebt werden.

Zum 23. Mal wird der Gigant auf diese Art gebacken, oder besser zusammengebastelt. Das Original im Jahr 1730 war da noch anders: August der Starke ließ extra einen Riesenofen bauen, um den Riesenstollen mit 1,8 Tonnen backen zu lassen. Dafür ist der heutige noch schwerer: Im vergangenen Jahr brachte er 3 429 Kilogramm auf die Waage.

Riesig ist nicht nur der Stollen, sondern auch das Geschäft, das damit gemacht wird. Beim Stollenfest, wo der Gigant in kleinen Stücken verkauft wird, ist meist in zweieinhalb Stunden alles weg „und wir fix und fertig“, so Kreutzkamm-Aumüller. Obwohl ein Stück stolze fünf Euro kostet und der Käufer nicht weiß, von welchem Bäcker dieses Stück stammt und ob denn dessen Stollenrezept auch das ist, welches er am liebsten isst. Aber darum geht es wohl nicht. Am 3. Dezember wird der Riesenstollen wieder weg gehen wie – na, wie Riesenstollen eben. Einen Stollenjungen wird es übrigens so bald nicht geben. „Wir haben darüber nachgedacht, aber das passt einfach nicht“, sagt die Backhaus-Inhaberin.