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Abwasser im Kaitzbach?

Ein Spaziergänger wundert sich über stinkendes Wasser. Doch dafür gibt es eine ganz natürliche Erklärung.

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© René Meinig

Von Annechristin Bonß

Der Große Garten ist für Lutz Müller wie ein zweites Zuhause. Mehrmals in der Woche ist er hier unterwegs. Als Stadtindianer führt er Kinder durch die Grünanlagen, geht auf Abenteuertour und bietet spannende Spiele in der Natur an. Eine Sache ist ihm dabei immer wieder aufgefallen. „Der Kaitzbach stinkt“, sagt er. Seit vielen Jahren beobachtet und vor allem riecht er diese Entdeckung. Seine Erklärung: In das Gewässer, das mal oberirdisch, mal unterirdisch vom Dresdner Süden aus durch den Großen Garten fließt, wird illegal Abwasser oder gar Schlimmeres geleitet. „Nach meiner Beobachtung passiert das seit vielen Jahren mehrmals wöchentlich in unregelmäßigen Abständen. Dazwischen ist der Bach tagelang wieder sauber und stinkt nicht mehr“, sagt er.

Die Gärtner im Großen Garten haben dieses Problem noch nicht entdeckt. Auf Nachfrage konnte niemand den Verdacht auf illegale Einleitung von Schmutzwasser oder Abwässern untermauern oder gar bestätigen, teilt Uli Kretzschmar, Sprecher für das Schlösserland Sachsen, mit. Ähnlich äußert sich das Umweltamt der Stadt Dresden. Als Gewässer zweiter Ordnung gehört der Kaitzbach in die Zuständigkeit der städtischen Umweltexperten. Nach dem Hinweis von Lutz Müller haben sich die Mitarbeiter auf den Weg in den Großen Garten gemacht. Der gesamte Gewässerverlauf des Kaitzbaches sowie der Kaitzbachflutgraben wurden kontrolliert und abgegangen. „Das Wasser war klar, farb- und geruchlos“, teilt Stadtsprecher Karl Schuricht mit. Auch im Carolasee konnte keine Belastung durch Abwasser festgestellt werden.

Woher kommt also der Gestank im Wasser? Eingebildet hat sich Lutz Müller diesen auf gar keinen Fall, versichert er. Auf diese Frage kann Norbert Lucke eine Antwort geben. Er leitet das Labor zur Kontrolle der Kläranlagen und der Einleiter in der Stadt. Einleiter sind Kanäle und Rohre, durch die das Abwasser in das Netz abfließt. Vor allem in Industriebetrieben muss kontrolliert werden, welche Bestandteile im Abwasser sind.

Im größten Teil der Stadt mischt sich in den Rohren das Regen-, Schmutz- und Abwasser. Vor allem in den Dörfern und Orten am Stadtrand gibt es ein Trennsystem. Dort fließt das Regenwasser in Bächen, Weihern oder Flüssen ab. Nur an diesen Stellen wäre es überhaupt möglich, Abwasser illegal abzuleiten. Dann komme es immer wieder mal vor, dass Anwohner verfärbtes oder stark getrübtes Wasser melden, sagt Norbert Lucke. Schnell den Farbeimer im Bach ausgespült oder das Waschwasser vom Auto in den Abfluss für das Regenwasser gekippt – auf diese Weise kommen Stoffe in die Bäche und Flüsse, die dort nichts zu suchen haben.

Klingt dramatisch, ist es aber kaum. Insgesamt werden bis zu 10 500 Proben pro Jahr im Labor der Kläranlage untersucht. Im Auftrag der Stadt gehen die Mitarbeiter der Stadtentwässerung auch die kleineren Flüsse und Bäche in Dresden ab. Um die 60 Proben im Jahr werden genommen, davon fallen bei fünf bis zehn Proben Werte auf, die auf eine illegale Einleitung schließen lassen. Aber nicht unbedingt etwas damit zu tun haben.

Im Frühjahr beobachten Spaziergänger zum Beispiel immer wieder, dass sich Schaum auf den Gewässern bildet. Der kommt nicht von Waschpulver, wie viele schnell vermuten. Mit den steigenden Temperaturen beginnt die Bioaktivität der natürlichen Stoffe im Wasser. Aufgewirbelte Eiweißverbindungen bilden dann den Schaum. Und auch wenn das Wasser weißlich aussieht, gibt Norbert Lucke Entwarnung. „Das könnte von Farbe sein. Die gehört zwar nicht ins Wasser, beeinträchtigt die Qualität aber nicht unbedingt“, sagt er.

Bei anderen Faktoren sind die Kontrolleure vorsichtiger. Sie messen den Sauerstoffgehalt im Wasser. Je geringer der ist, desto wahrscheinlicher ist, dass etwas im Wasser ist, was nicht reingehört. Zum Beispiel Abwasser. Dort sind Substanzen drin, die Sauerstoff verzehren. Auch der Stickstoffgehalt ist ein Maß, um Abwasser in den Bächen zu identifizieren. Urin gilt als Hauptlieferant für Stickstoff im Wasser.

„Riecht das Wasser schlecht, müssen wir zunächst fragen, wonach“, sagt Norbert Lucke. Schlechte Gerüche entstehen durchaus bei Sauerstoffmangel im Wasser. Der kann aber auch durch viel Laub entstehen, das von den Bäumen in den Bach fällt. Gerade im Großen Garten wird der Bachlauf von vielen Bäumen gesäumt. In den überwiegenden Fällen von Geruchsbildung seien die Gründe im Laub zu suchen.

Trotzdem sind die Kontrolleure auf die Hinweise von aufmerksamen Spaziergängern angewiesen. Wer etwas beobachtet, Schmutz oder Gestank in Bächen entdeckt, soll sich bei der Stadt oder der Stadtentwässerung melden. „Dem gehen wir dann nach“, sagt Norbert Lucke.