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Abschiedstour nach Kreischa

Vor 40 Jahren fuhr die Lockwitztalbahn zum letzten Mal. Der Modelleisenbahnclub von Kreischa erinnert jetzt daran.

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© Andreas Weihs

Von Stephan Klingbeil

Kreischa. Als Schüler nahm Steffen Zschüttig aus Kreischa regelmäßig die Straßenbahnlinie 31. Auch am Vormittag des 18. Dezember 1977 saß der damals 13-Jährige in der Lockwitztalbahn. Es war ihre letzte Fahrt. Sie wurde danach stillgelegt. Schon am Nachmittag fuhren stattdessen die Busse der Linie 96. „Mein Opa war Straßenbahnfahrer und Kartenverkäufer, meine Familie hat eine besondere Beziehung zu der Lockwitztalbahn“, sagt der Techniker für Elektrotechnik. Da war auch klar, dass er noch einmal mitfährt. Die Abschiedstour von Dresden-Niedersedlitz nach Kreischa habe er sich nicht nehmen lassen.

© Repro: MEC

Noch einmal die fast zehn Kilometer lange Schienenstrecke von Dresden-Niedersedlitz aus in Richtung Süden fahren. Und der Film mit den 24 Bildern auf der Kamera war damals auch schnell verknipst, erinnert sich Zschüttig. „Schade, wenn man bedenkt, dass erst ein Jahr zuvor das 70-jährige Bestehen der Lockwitztalbahn gefeiert wurde“, erklärt der für die FBK im Gemeinderat sitzende Vereinsvorsitzende des Modelleisenbahnclub Kreischa (MEC). „Doch wegen der Änderung des Verkehrskonzepts der Stadt Dresden und der Betriebsordnung für Straßenbahnbetriebe wurde im Juni 1977 vom Stadtrat das Aus beschlossen.“ Von den acht Triebwagen gingen nach der Stilllegung drei nach Brandenburg und fünf zur Kirnitzschtalbahn.

An jenem Sonntag im Dezember 1977 war nach der letzten Fahrt am Lokschuppen in Kreischa Endstation. Dort also, wo heute das Vereinshaus steht. Dort, wo der MEC am Sonnabend und Sonntag Besuchern seine diesjährige Ausstellung zeigt.

Schon seit DDR-Zeiten öffnet der MEC immer am dritten Advent seine Vereinsräume und lässt mehrere Modellzüge in unterschiedlichen Größen durch das Haus fahren. Auch Informationstafeln und eine Bastelstation sind geplant. „In diesem Jahr ist die Ausstellung etwas auf das 40-jährige Jubiläum der Bahnstilllegung zugeschnitten“, sagt Zschüttig. Und ein Schaukasten mit einem Teilstück der einstigen, inzwischen mit Asphalt überdeckten Schienenstrecke an der Lockwitz wird ebenfalls zu sehen sein. Ein originalgetreuer Mini-Zug der Linie 31 dreht darin seine Runden. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

Immer freitags treffen sich die Mitglieder des MEC, der anders als andere Vereine auch wegen seiner Ende der 90er-Jahre ins Leben gerufenen Jugendgruppe kein Nachwuchsproblem hat. In ihren Räumen unter dem Dach des Vereinshauses lassen die 20 bis 25 Vereinsmitglieder – die Zahl ist seit Jahren konstant – ihrer Kreativität freien Lauf. Neben Fantasieorten gibt es auf ihrer großen Modellplatte auch Mini-Kopien von Gebäuden aus dem Osterzgebirge. Egal, ob am höher gelegenen Altenberger Bahnhof oder weiter unter am Edelstahlwerk: Hier wird gebastelt, geputzt, geklebt und gemalt. Hier werden noch ein kleines Dach fertiggestellt und ein winziges Schaf auf das grüne Kunststoffgras gesetzt. Dort wird graue Farbe auf ein Stück Felsen aus Styropor aufgetragen und ein Boot für den Teich präpariert, in den später echtes Wasser eingelassen werden soll.

Richard Schlemm tüftelt beispielsweise konzentriert an einem Güterschuppen aus Holz und Kunststoff unweit des Mini-Edelstahlwerks. „Zehn Stunden Arbeit steckt man da schon rein, bis er fertig ist“, sagt der 18-jährige Kreischaer. „Wenn man einmal angefangen hat, kann man auch nicht davon ablassen.“ Das geht anderen ähnlich. Frank Werner, etwa, wie viele der acht bis 77 Jahre alten Mitglieder schon seit Längerem dabei. Er war über seinen Sohn zu dem 1974 gegründeten Modelleisenbahnclub gekommen. Die Faszination ließ den heute 57-Jährigen nicht mehr los.

An dem großen Vereinsmodell, bei dem fünf Leute dafür sorgen, dass alle Züge zeitgleich fahren können, hat auch er sich schon verewigt. „Es entwickelt sich seit vielen Jahren, Schritt für Schritt“, erklärt der Kreischaer. Mal komme etwas hinzu, mal falle etwas weg. Einst stand die Platte in den inzwischen abgerissenen Vereinsräumen am alten Erbgericht einige Meter gegenüber. 2010 zog der MEC samt Modell und Inventar in das neue Vereinshaus um. Werner ist es auch, der die Lockwitztalbahn auf die Platte bringen sollte. Doch eine Handverletzung bremste ihn aus. Daher bleibt der Platz dafür auf dem großen Modell frei. Doch auf die Bahn verzichten müssen Ausstellungsgäste nicht. Stattdessen fährt sie in dem Schaukasten nebenan.

Darüber hinaus können sich Besucher schon jetzt direkt am Vereinshaus jederzeit über die Lockwitztalbahn informieren. Denn seit einigen Wochen stehen dort zwei Tafeln, wo man nun auch einiges über die 1977 eingestellte Straßenbahn erfährt.

Die Ausstellung im Vereinshaus am Haußmannplatz ist am 16. und 17. Dezember jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 2,50 Euro, ermäßigt ein Euro.