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Abschied vom Gasthof Poisental

Karin und Hans-Günter Bergmann schließen ihr Restaurant nach 22 Jahren – mit Wehmut und vielen Erinnerungen.

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© Frank Baldauf

Von Tobias Winzer

Freital. An welche Anekdote sich das Wirts-Ehepaar nach 22 Jahren im Gasthof Poisental am liebsten zurückerinnert? Hans-Günter Bergmann muss nicht lange überlegen. „Na, da bin ich jetzt aber gespannt“, sagt seine Frau Karin lächelnd. Und ihr Mann legt los: Es war Ende der 90er, als ein Stromkasten vor dem Gasthof plötzlich anfing zu qualmen. Die Bergmanns riefen die Feuerwehr. „Ich hab noch gesagt: Am Gasthof Poisental, Poisentalstraße 97.“ Doch anstatt an dem prägnanten Gebäude zu halten, fuhr der Feuerwehrwagen Minuten später die Poisentalstraße hoch und runter – offenbar auf der Suche nach der Hausnummer 97. „Dabei war jemand bei der Feuerwehr dabei, der bei uns regelmäßig am Stammtisch saß“, sagt Hans-Günter Bergmann. „Das haben wir ihm noch Jahre später vorgehalten.“

Der Gasthof Poisental ist seit Dezember geschlossen. Das muss nicht so bleiben.
Der Gasthof Poisental ist seit Dezember geschlossen. Das muss nicht so bleiben. © Andreas Weihs

Wie man den Gasthof Poisental nur verfehlen kann? Das ist tatsächlich die Frage. Denn das Haus gehört zu den traditionsreichsten gastronomischen Einrichtungen Freitals. 22 Jahre davon führten die Bergmanns das Restaurant im Erdgeschoss. Jetzt ist Schluss. „Am Sonntag geben wir die Schlüssel ab“, sagt Karin Bergmann.

Nach der letzten Weihnachtsfeier im Lokal Mitte Dezember haben sie begonnen, alles zusammenzupacken. Einige Geräte konnten sie verkaufen. Das Geschirr und die alten Gläser – made in GDR – gingen an einen Antiquitätenhändler. Abgebaut hat Hans-Günter Bergmann auch seine Wand voll mit Dynamo-Andenken: Eintrittskarten, Wimpel, alte Mannschaftsfotos, teilweise von der kompletten Mannschaft unterschrieben.

An der Bar baumelt noch ein Wimpel des Fußballvereins Karlsruher Sportclub – ein Geschenk eines Freundes, der dort als Amateurtrainer arbeitete. „Darauf hat die ganze Mannschaft unterschrieben – die Weltmeister Thomas Häßler, Guido Buchwald“, sagt Bergmann. Die Andenken bekommen nun einen Ehrenplatz in ihrer Drei-Zimmer-Wohnung in Potschappel.

Nachfolger gesucht

Die Bergmanns schließen, aber sie schließen nicht mit Groll. „Wir sind jetzt Rentner“, sagt Karin Bergmann. Mehr als 40 Jahre in der Gastronomie, die viele Bewegung, der Stress haben jung gehalten, aber auch ihre Spuren hinterlassen. Die 70-Jährige zählt auf, wo überall Metall ihren Körper zusammenhält – am Rücken, im Knie. Ihr Mann, 65 Jahre alt, ist in den letzten Jahren immer wieder wegen schwerer Erkrankungen ausgefallen. Vor zwei Jahren haben sie bereits entschieden, dass sie das Restaurant nun abgeben. „Einmal muss Schluss sein“, sagen sie.

Ihre berufliche Karriere ist auch ein Stück Freitaler Gastronomiegeschichte. Angefangen haben die beiden, die mittlerweile seit 39 Jahren verheiratet sind, im damaligen Hotel Oehme an der Ecke Dresdner Straße/Oberpesterwitzer Straße. Das Haus steht längst nicht mehr. An der Stelle gibt es jetzt einen Parkplatz. Zwischenzeitlich ebenfalls abgerissen ist das Sportheim an der Rudeltstraße, das die Bergmanns Anfang der 80er-Jahre übernahmen. 1994 zogen sie weiter in den Gasthof Poisental. „Der Fußboden war schwarz mit einer dicken Schicht Bohnerwachs“, erinnert sich Hans-Günter Bergmann. „Die Türen waren dunkel gehalten.“ Einen fünfstelligen Betrag steckten die Freitaler damals in die Renovierung des Restaurants.

Das Klagelied anderer Gastronomen, die sich über das schlechter gehende Geschäft ärgern, wollen sie nicht einstimmen. Ja, nach der D-Mark-Umstellung habe das Geld bei den Gästen nicht mehr so locker gesessen. Ja, und auch das Rauchverbot habe ihnen zu schaffen gemacht. Veranstaltungen, wie Schlachtefeste, Familientanz und Fasching, wurden immer schlechter besucht. Bis zuletzt konnten sich die Bergmanns aber auf die Stammkunden verlassen. Wenn der Poisentaler Männerchor feierte, waren die beiden Räume mit 60 Mann voll besetzt. Die Tischtennis-Spieler des TTC 49 Freital kamen immer freitags zum Stammtisch. Und immer sonntags traf sich eine Runde von zehn, zwölf Leuten zum Trinken, Essen und Quatschen. Die Bergmanns mittendrin.

„Es war eine schöne Zeit“, sagt Hans-Günter Bergmann. „Vor allem das Gesellige mit den Gästen.“ Er kümmerte sich meistens um die Kellnerei und die Getränke. Sie stand meistens in der Küche. Rouladen, Sauerbraten, Bauernfrühstück, Zwiebelfleisch, Steaks, selbst gemachter Kartoffelsalat und alle Arten von Schnitzeln standen auf der Karte. „Nur, wenn es um Suppen ging, da wollte er ran“, sagt Karin Bergmann und blickt zu ihrem Mann.

Die beiden schwärmen von den Abschiedsgeschenken, die sie in den vergangenen Wochen von ihren Stammgästen bekommen haben. Von den Tischtennis-Spielern gab es einen Pokal mit der Gravur: „Für unsere treuesten Kneiper“. „Als ich mir den noch einmal Zuhause angeschaut habe, kamen mir schon die Tränen. Da liefen all die Jahre wie ein Film ab“, sagt Hans-Günter Bergmann. Die Leute vom Jugendclub Poisental brachten einen großen Präsentkorb vorbei. Die anderen Stammgäste bedruckten ein großes Kissen mit einem Foto der beiden Wirte in ihrem Restaurant.

Wenn die Bergmanns am Sonntag ihr Restaurant zum letzten Mal abschließen, beginnt für sie ein neuer Lebensabschnitt. „Uns wird nicht langweilig“, sagt Karin Bergmann. „Wir werden überall mal reinschnüffeln, in den Urlaub fahren, wie es sich ergibt.“ Und auch der Gasthof Poisental wird sich nach dem Auszug der Bergmanns verändern. Der Eigentümer des Hauses plant, die Räume zu sanieren. Am liebsten wäre es ihm, wenn sich wieder ein Betreiber für das Restaurant finden ließe.