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Abschied nach dem späten Glück

Deuten die Tränen auf dem Eis das Karriere-Ende der Olympiasieger an? Aljona Savchenko tut sich schwer damit, für Bruno Massot ist es leichter.

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Von Britta Körber

Alle Zeichen stehen auf Abschied nach dem perfekten Auftritt. Was soll, was kann noch kommen für Aljona Savchenko und Bruno Massot? Erst Gold bei Olympia mit der besten Kür aller Zeiten und nun, kaum fünf Wochen später, dieser WM-Triumph mit einer Punktzahl, die noch kein Eiskunstlaufpaar je vor ihnen erreicht hat. „Das war noch mehr als die Kirsche auf dem Kuchen, das war noch die Sahne dazu“, meint Savchenko inmitten der nächsten Sternstunde für das Traumpaar, diesmal in der goldenen Nacht von Mailand.

Auf Sponsorenbesuch. Dreieinhalb Jahre ist das her.
Auf Sponsorenbesuch. Dreieinhalb Jahre ist das her. © Robert Michael
Sie sinken zu Boden, haben es geschafft: Aljona Savchenko und Bruno Massot sind Weltmeister.
Sie sinken zu Boden, haben es geschafft: Aljona Savchenko und Bruno Massot sind Weltmeister. © REX/Shutterstock

Später erzählt Savchenko, dass sie nach der Kür das Eis geküsst und danke gesagt habe. Auch Massots Sätze klingen wie eine Bilanz der gemeinsamen vier Jahre, vor allem aber wie eine Hommage an seine Partnerin: „Es war schwer für sie, mich auf ihr Niveau zu bringen“, sagt der gebürtige Franzose über Savchenko.

Sie hatte ihn schließlich nach dem Karriere-Ende von Robin Szolkowy im Anschluss an Olympia 2014 in Sotschi als Partner ausgewählt – und wenig später mit der Trennung vom einstigen Erfolgstrainer Ingo Steuer einen kompletten Neuanfang gewagt. Und das als 31-Jährige.

Sie erzählt – und er nickt nur

Dass es mit dem ersehnten Olympia-Gold tatsächlich klappt, ist zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar – dafür aber die gemeinsame Vorliebe für Süßes. „Normalerweise haben wir ja Training. Doch wir liegen gut im Plan“, sagt sie im November 2014 bei dem Sponsorentermin in Dorfhain nahe Freital, nimmt sich Lebkuchen um Lebkuchen und blickt zu Massot herüber. „Ich fühle, dass alles passt“, sagt Savchenko. Er nickt, und greift ebenfalls beherzt zu.

Mit großen Augen und kurzen, schnellen Sätzen erzählt Savchenko bereits damals vom Spaß und der Freude, die sie miteinander haben. Massot nickt wieder – und spricht selten. Wenn er das Wort ergreift, dann mit Nachdruck. „Wir wollen und wir werden es schaffen.“

Dreieinhalb Jahre später haben sie es geschafft, haben sich ihren Olympia-Traum erfüllt, gekrönt nun noch mit dem WM-Titel und der Weltrekord-Punktzahl. Gibt es einen besseren Moment, um sich zu verabschieden? Savchenko lässt sich ein kleines Hintertürchen offen. „Es ist schwierig, ich muss erst mal nachdenken“, sagt die gebürtige Ukrainerin also, die mit ihrer schier unerschöpflichen Schaffenskraft nicht zuletzt auch ihren Partner zu Olympia- und WM-Sieg getrieben hat und am liebsten nie vom Eis gehen würde. „Nur mit einem weinenden Auge“, betont sie.

Doch der 29-jährige Massot will nicht mehr. Nicht nur die kaum auszuhaltenden Rückenschmerzen belasten ihn, auch der mentale Stress vor Olympia hat Spuren hinterlassen. „Ich bin dankbar, dass Bruno mir diese wunderschönen vier Jahre geschenkt hat, er ist ein Held“, sagt Savchenko. Denn so federleicht, wie ihr Weltrekord-Vortrag im Mediolanum Forum von Mailand mit 22-mal der Höchstnote 10,0 wirkt, und so sehr er die Zuschauer rührt – so einfach ist der Weg dahin bei Weitem nicht gewesen. „Es war hart, aber es war magisch. Wir haben versucht, nicht an die Schmerzen zu denken“, beschreibt Massot das nochmalige Zusammenreißen nach dem Höhepunkt in Pyeongchang. Er betont: „Wir können nicht glücklicher sein.“

Kurz vor Mitternacht verrät Alexander König das Erfolgsgeheimnis für den Gold-Coup. „Ich habe im Januar noch ein Bild gemalt, auf dem ein Tandem bergauf in Richtung Olymp zu sehen ist“, sagt ihr Trainer. Seine Botschaft: Fehler eines Teils des Duos müssen bedingungslos vom Partner aufgefangen werden, sonst fällt es zurück. „Wenn man diesen Prozess versteht, versteht man Paarlaufen“, erklärt König, dessen Verdienst es vor allem ist, das Binnenverhältnis seiner starken Schüler in die richtige Bahn gelenkt zu haben. Er meint: „Das Kommunikationsproblem war das Schwierigste.“ Bei Massot habe es beim Tandem-Bild endlich klick gemacht. Und für Savchenko ist der Anteil Königs an den Triumphen nicht hoch genug einzuschätzen, sie beziffert ihn gar auf 75 Prozent.

Doch weil es den ehemaligen Paarläufer und Ruhepol des Trios nun vom Trainingsort Oberstdorf in seine Heimat Berlin zurückzieht, ist das nacholympische Projekt Savchenko/Massot auch so unwahrscheinlich. „Aljona mag es in Oberstdorf, sie ist da angekommen. Sie ist sehr konzentriert, mag die Ruhe. Eine Großstadt ist für solche Menschen schwieriger“, sagt König, der selbst seine Ausbildung als Mediator zu Ende bringen will. Zudem ist er im Gespräch für einen neu zu schaffenden Posten als Paarlauf-Bundestrainer.

Auch Savchenko wird irgendwann hinter der Bande stehen. Die eisige Bühne bedeutet ihr alles. Ums Geldverdienen ist es ihr noch nie gegangen, auch wenn sie mit Massot künftig wohl nur noch Showauftritte absolviert. „Wir sind die einzigen Sportler auf diesem Niveau ohne Sponsoring, ich habe nur die Bundeswehr und die Sporthilfe. Das ist das Minimum, um die Miete zu bezahlen“, sagt sie. Ein Olympiasieg und sechs WM-Trophäen, davon fünf mit Szolkowy, sind ihr Lohn. Und diese magischen Momente, das späte Glück. (dpa, mit SZ)