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Abschied mit König Drosselbart

Spielbühne-Gründerin Hannelore Umlauft inszeniert mit 79 Jahren ihr letztes Stück. Dem Freitaler Theater aber bleibt sie treu.

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© Thomas Morgenroth

Von Thomas Morgenroth

Freital. Ja, was für eine Prinzessin ist das denn? Statt ihr unbeschwertes Leben zu genießen, ist dem Fräulein das höfische Leben zuwider. Sie will ein ganz normales Mädchen sein, lieber barfuß einen feurigen Flamenco tanzen als in engen Schuhen ein langweiliges Menuett. Und natürlich will sie nicht einen der Männer heiraten, die ihr der Vater ausgesucht hat. Sie protestiert mit Häme: Herrn Rübsam bezeichnet sie ob seiner Leibesfülle als „Sirupfass“, einen Poeten mit dem Namen „Tümpeldreck“ lacht sie aus – und im markanten Kinn eines Königs sieht sie einen „Drosselbart“.

Schon sind wir mittendrin im Märchen vom „König Drosselbart“, das in diesen Tagen in der Spielbühne Freital als Theaterstück Gestalt annimmt – und ein wenig anders wird, als es die Brüder Grimm aufgeschrieben haben. Hannelore Umlauft hat sich des mehr als zweihundert Jahre alten Stoffs angenommen und ein Stück mit Witz, Charme und spritzigen Dialogen geschrieben, ohne die Geschichte grundsätzlich zu verändern. „Nur der Schluss wird ganz anders“, sagt die Regisseurin, die selbst zwei kleine Rollen übernimmt. Details will sie aber noch nicht verraten.

Hannelore Umlauft bringt jedenfalls frischen Wind in das Geschehen, ohne den Zauber des Märchens zu zerstören. Ihre Prinzessin zum Beispiel, gespielt von der elfjährigen Freitalerin Luise Lohse, ist keine Zicke, sondern eine lebenslustige Teenagerin, die sich im Schloss eingeengt fühlt. Sie kuscht nicht, auch als sie mit dem als Spielmann verkleideten Drosselbart (Witja Kümpel) in eine Hütte ziehen muss. Sie weiß sich zu wehren und prügelt sogar den frechen Husaren vom Marktplatz, als der ihr das ganze irdene Geschirr zerschlägt.

Nicht nur in dieser Szene geht es turbulent zu. Auch sonst ist viel Bewegung auf der Bühne. Kinder wie Erwachsene rennen, springen und singen – oder tanzen nach Choreografien von Ellen Jarnowics. Mit mehr als zwanzig Akteuren im Alter zwischen fünf und neunundsiebzig Jahren ist der „Drosselbart“ die personalreichste Inszenierung, bei der Hannelore Umlauft je Regie geführt hat. Ein Höhepunkt zum Schluss: Der „Drosselbart“ ist ihr Abschied als Spielleiterin. „Ich ziehe mich aus Altersgründen zurück“, sagt die Bannewitzerin. Im Juli nächsten Jahres wird sie 80.

1973 hatte Hannelore Umlauft mit dem Schauspieler Moutlak Osman das Zentrale Laientheater Freital gegründet, aus dem die Spielbühne hervorgegangen ist, dessen Intendantin sie viele Jahre war. „Der Heiratsantrag“ und „Die Bremer Stadtmusikanten“ waren 1974 die ersten Inszenierungen, denen über einhundert weitere folgten. In mehr als einem Drittel davon stand Hannelore Umlauft selbst auf der Bühne, unter anderem mit späteren Profis wie Arne Retzlaff, Hans-Uwe Klügel oder dem Gitarristen Jörg Nassler. Auch Uwe Steimle spielte im Laientheater Freital mit.

Leidenschaft und Hobby

„Kann man das essen“, war der erste Satz (und der Einzige in ihrem ersten Stück), den Hannelore Umlauft auf einer Bühne sagen musste – als jüngste Tochter des Geigers Rotkopf Görg, als der ein Goldstück aus seiner Mütze holte. Da war das Mädchen Hannelore, eine sudetendeutsche Umsiedlerin aus Teplitz, gerade sechs Jahre alt und Schülerin der ersten Klasse in der Pestalozzi-Schule in Deuben. Dort wurden mit viel Aufwand regelmäßig Stücke des Freitalers Otto Roth inszeniert. 1991 spielte Hannelore Umlauft mit der Spielbühne noch einmal in einem Roth’schen Stück mit: In der „Glücksuhr“ gab sie im Stadtkulturhaus Freital die Winselmutter, es ist eine ihrer liebsten Rollen bis heute. Wie auch die titelgebenden Hauptrollen in „Die Neuberin“ und „Frau Holle“.

Das Theater ist Hannelore Umlaufts Leidenschaft und Hobby. Beinahe wäre es auch ihr Beruf geworden. „Aber ich konnte mir damals einfach nicht vorstellen, auf der Bühne einen fremden Mann zu küssen“, erinnert sie sich. So wurde sie Lehrerin für Russisch, Deutsch, Geschichte, Spanisch und Ethik. „Ich habe das nie bereut“, sagt Hannelore Umlauft rückblickend. „Ich konnte so ohne Zwang Theater spielen und mir die Rollen aussuchen, ein Profi kann das nicht, der muss alles spielen.“

Mit der „Geschichte von der wundersamen Schustersfrau“ gab Hannelore Umlauft 1999 ihr Debüt als Regisseurin. Das Gestalten, das Umsetzen von Ideen reizte sie und führte zu mittlerweile mehr als zwanzig Inszenierungen. Mit dem „Drosselbart“ setzt sie nun einen Schlusspunkt, einen mit Pfiff – denn nichts mag Hannelore Umlauft weniger als Langeweile, sowohl in ihrem Leben als auch auf der Bühne. Keine Frage also, dass sie ihrem Theater treu bleiben will – künftig als Beraterin mit einem Erfahrungsschatz aus fast 75 Jahren.

„König Drosselbart“ in der Spielbühne Freital, Premiere am 2. Dezember (ausverkauft); wieder am 3., 9., 10., 16. und 17.12., 17 Uhr, am 24.12., 11 Uhr, und im Januar.

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