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Abschiebung trotz Ausbildungsplatz

Sie leben seit zweieinhalb Jahren in Deutschland, der Vater macht eine Ausbildung. Eine vierköpfige Familie soll jetzt von Dresden nach Albanien abgeschoben werden. Dagegen gibt es Widerstand.

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© Christian Juppe

Von Julia Vollmer

Eine Abschiebung kann jederzeit erfolgen. Dieser Satz, ganz klein und am Ende des Briefes, lässt ihre Welt einstürzen. Jene Botschaft der Ausländerbehörde erreichte die Familie Sakollari am 4. Januar. Die Stimme von Mutter Matilda zittert, als sie anfängt zu erzählen. Sie lebt mit ihrer Familie seit zweieinhalb Jahren in Deutschland, ihr Sohn Henry ist 2016 hier in Dresden geboren. Ihr Mann Artan ist mitten in seiner Ausbildung zum Gebäudereiniger. Jetzt zu Jahresbeginn der Schock für die Familie. Die Duldung wurde nicht verlängert. „Sie sind ausreisepflichtig“, steht in dem Brief der Ausländerbehörde.

2015 flüchtete die Familie aus ihrem Heimatort Berat in Albanien. „Wir hatten dort nichts: keine Arbeit und keine Wohnung“, erzählt Matilda Sakollari. Die medizinische Versorgung für ihre Familie, der große Sohn Leo kam in Albanien auf die Welt, sei nicht vorhanden gewesen. „Wir sahen keine Perspektive“, erzählt die heute 30-Jährige. Über Hamburg und Schneeberg kamen sie nach Dresden. Nach drei Monaten in einem Wohnheim konnten sie in eine Wohnung umziehen. Die Sakollaris stellten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Asylantrag. Der wurde als unbegründet abgelehnt. Da Mutter Matilda aber mit dem zweiten Kind schwanger war, wurde die Familie geduldet. Diese Duldung wurde immer wieder verlängert, sagen sie. Bis jetzt.

Und dass, obwohl Vater Artan seine Ausbildung zum Gebäudereiniger absolviert und dort Geld verdient. Danach wurde ihm ein fester Arbeitsvertrag zugesichert. „Herr Sakollari spricht gut Deutsch und kommt sehr gut mit“, sagt sein Chef Mario Mühle, Niederlassungsleiter bei Piepenbrock. „Artan ist sehr fleißig, steht jeden Morgen um drei Uhr auf und geht zur Arbeit“ erzählt auch Paula Peschel, eine Freundin der Familie, die bei Behördengängen hilft. Sie sorgt sich vor allem um die Kinder. Henry wird bald zwei, der große Sohn Leo besucht die Schule am Jägerpark. „Eine ganz normale Schule ohne extra Sprachunterricht“, erzählt seine Mutter. Er hat viele Freunde gefunden.

Die Ausländerbehörde ist für den Fall zuständig, will sich aber nicht äußern. Wie schon im Fall von Bechir Arafet, dem tunesischen Restaurantleiter von Christian von Canal, heißt es: „Ihre Fragen können wir aus Datenschutzgründen nicht beantworten, da es sich hier um die Mitteilung personenbezogener Daten handelt.“ Grundsätzlich sei aber die Vorlage eines Ausbildungsvertrages eine Voraussetzung für einen Aufenthaltstitel, sagt die Behörde. Die Landesdirektion antwortet auf die Frage nach dem Arbeitsvertrag vage: „Generell kann gesagt werden, dass nach der Beschäftigungsverordnung des Bundes Staatsangehörigen bestimmter sicherer Herkunftsstaaten wie Albanien seit 2016 Zustimmungen zur Ausübung jeder Beschäftigung durch die Arbeitsagentur erteilt werden können“, sagt Sprecher Gunter Gerick. Laut Ausländerbehörde haben Menschen aus Albanien die gleichen Chancen, einen Aufenthaltstitel zu erhalten, wie andere Ausländer aus Drittstaaten auch. Albanien ist kein Mitglied der Europäischen Union, aber seit 2014 Beitrittskandidat. In den vergangenen drei Jahren wurden nur drei Menschen aus Dresden nach Albanien abgeschoben, darunter noch keine Familie.

Jetzt gibt es einen Hoffnungsschimmer für die Sakollaris. Der Flüchtlingsrat hat einen Antrag bei der Härtefallkommission eingereicht, so Sprecher Mark Gärtner. Dieser wurde angenommen. Die Abschiebung ist zunächst bis Februar ausgesetzt.