Merken

Abriss-Schmerz für neue Ufer

Im Radeberger Stadtzentrum verschwinden an der Röder zwei Häuser. Das ist umstritten. Und doch richtig!

Teilen
Folgen
© Thorsten Eckert

Von Jens Fritzsche

Jetzt ist es amtlich; die morschen Häuser August-Bebel-Straße 3 und 5 am Röderufer mitten in Radeberg werden abgerissen. Der Technische Ausschuss vergab Dienstagabend die Arbeiten an eine Firma aus Malschwitz. Damit hat das durchaus zähe Ringen der vergangenen Monate ein Ende – die Bäume auf dem zum Teil arg verwilderten Grundstück gleich gegenüber dem Radeberger Biertheater waren ja schon vor Wochen gefällt worden und hatten den Blick auf die traurige Realität vor allem eines der beiden Häuser freigegeben, auf die Hausnummer 3. Für Laien ist klar, dass da nicht mehr viel zu retten ist. Und – so hatte es Radebergs OB Gerhard Lemm (SPD) immer wieder fast gebetsmühlenartig erklärt – auch Experten waren zu diesem Ergebnis gekommen. „Die Fachleute haben gesagt, dass dieses Haus nicht mehr zu retten ist, aber eine Sanierung nur beider Häuser gemeinsam möglich ist, da sie baulich zusammenhängen“, so der OB.

Die Verwaltung hätte es sich also leicht machen können. Aber weder die Verantwortlichen im Rathaus, noch der Stadtrat haben es sich leichtgemacht. Und das, obwohl die erste Idee, hier Platz zu schaffen, bereits aus dem Jahr 2009 stammt – und hier zwischenzeitlich längst Abrissnägel mit Köpfen hätten gemacht werden können, wenn das notwendige Fördergeld geflossen wäre. Denn damals entschied der Stadtrat den Abriss im Rahmen des geförderten Sanierungskonzepts „Innenstadt“. Das Röderufer, so hieß es damals ein wenig überraschend, solle künftig vom Gelbke-Hain unterhalb der Dietzestraße, über den Kreuzungsbereich am Kaiserhof bis hin zu den Leithen begehbar und vor allem erlebbar werden. Ein grünes Band entlang der Röder durch Radeberg sozusagen – im Prinzip ein Grünzug als Verbindung von Hüttertal und Seifersdorfer Tal im Ortsteil Liegau-Augustusbad. Eine spannende Idee. Damals vielleicht noch gar nicht so sehr in die Zeit passend; aber aktuell mitten auf der deutschlandweiten Tagesordnung in Sachen Stadtumbau. Mehr Grün, mehr Lebensqualität sozusagen.

Immer mehr Zuzug

Und aus der Idee von 2009 ist mittlerweile auch längst mehr geworden. Eine Arbeitsgruppe des Stadtrats beschäftigt sich unter der Überschrift „Grünes Radeberg“ mit dem Projekt, es gibt Planungen, die Grünzonen, Spielplätze und sogar einen kleinen Strandbereich vorsehen. Bis zum Stadtjubiläum „800 Jahre Radeberg“ 2019 soll dieser erste Schritt zwischen Gelbke-Hain und den Leithen gegangen sein. Dafür müssen nun also die morschen Häuser Platz machen.

Doch hier kommt nun das große Aber. Denn seit 2009 hat sich auf dem Wohnungsmarkt in der Region Dresden eine Menge verändert. Baugrundstücke in Dresden sind längst knapper als knapp, die Mieten steigen, was zunehmend deutlich spürbare Auswirkungen auch auf Radeberg hat. Immer mehr Dresdner ziehen ins Umland. Und das längst nicht mehr nur ins eigene Häuschen, wie am Radeberger Sandberg zum Beispiel, sondern auch in Wohnungen in der Radeberger Innenstadt. Die Anbindung an Dresden ist nahezu perfekt, die Versorgungslage in Radeberg bestens, Schulen, Kitas, Krankenhaus, alles vorhanden. Die Arbeitslosigkeit ist mit vier Prozent auf dem niedrigsten Stand seit der Wende und eine der niedrigsten Quoten in ganz Ostdeutschland. Und der Zuzug ist längst auch baulich sichtbar: So werden Gebäude saniert, die vor Jahren ohne viel Gezerre abgerissen worden wären. Wer hätte gedacht, dass die wirklich ruinösen Häuser an der Niederstraße gleich am Markt noch einmal derart erblühen? Und nicht zuletzt hatte der erbitterte – und letztlich erfolgreiche – Widerstand gegen den schon genehmigten Abriss der sogenannten Verleger-Villa gleich am Eingang zur Hauptstraße den Abriss-Kritikern in Radeberg neuen Atem verliehen.

Neues Leben an der Pirnaer Straße

Radeberg verliere mit den beiden Bebelstraßen-Häusern wieder ein Stück seines historischen Gesichts, finden nicht wenige. Ja, aber Stadtentwicklung geht nicht ohne Kompromisse. Und natürlich ist es unbedingt zu begrüßen, wenn zum Beispiel an der Pulsnitzer Straße jetzt die morsche Villa gegenüber Edeka gerettet und daneben neu gebaut wird. Es ist zu begrüßen, dass sich an der im Vergleich zur Hauptstraße in den vergangenen Jahren baulich ins Hintertreffen geratene Pirnaer Straße neues Leben ansiedelt; sich saniertes Altes und Neues vereinen.

Aber dort geht es um (fast) komplette Straßenzüge – an der Bebelstraße um zwei einsam stehende Gebäude. Und ein erlebbares Fluss-Ufer ist für viele Städte ein absolut erstrebenswertes Ziel. In Leipzig ist die Pleiße in der Innenstadt „verbuddelt“, was viele gern ändern würden. An dieser Stelle Radebergs dürfte die Arbeit der Abrissbagger also verschmerzbar sein. Weil sie den Weg freimacht für ein Projekt, das eine als Wohnstandort zunehmend gefragte Innenstadt letztlich noch ein Stück lebenswerter, ein Stück attraktiver macht. Und das hilft dann vielleicht auch weiteren Sanierungs- oder Neubauprojekten im Stadtzentrum.