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In einigen Dresdner Stadtteilen wurde das Kabelfernsehen abgeschaltet. Vodafone kündigte rückwirkend – zu Unrecht?

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© Sven Ellger

Von Theresa Hellwig

Frustriert und enttäuscht sind derzeit viele Gönnsdorfer und Schullwitzer. „Sobald wir zu Hause sind, machen wir immer erst einmal das Radio an“, beginnt Ralf Göthel zu erzählen. So auch am 4. Oktober. Doch an diesem Tag blieb das Radio still, kein fröhliches Singen erfüllte die offen gebaute Doppelhaushälfte in Schullwitz. Der Griff zur Fernbedienung des Fernsehers: auch kein Signal.

Seit diesem Tag sind in den östlichen Ortsteilen Dresdens, in Schullwitz und auch in Gönnsdorf, viele Fernseher still. Betroffen sind die Haushalte, die ihr Signal von Vodafone Kabel Deutschland empfingen. Göthel zeigt sich frustriert. Er rief die Hotline an, erhielt Störungstickets. Doch nichts passierte: Das Störungsticket sei bearbeitet worden, hieß es. Das Bild jedoch blieb weg – und zwar dauerhaft.

Auf dem Weg nach Gönnsdorf geht es vorbei an Wiesen, vereinzelt Häuser, viele Hügel. Hier wohnen Mariechen und Florian Kramer. Ihnen erging es wie Ralf Göthel. Bei den Kramers verschwand das Signal zu einem besonders unpassenden Zeitpunkt: Weil Florian Kramer zur Reha gefahren war, war seine Frau alleine zu Hause. Mit einer Grippe war sie ans Bett gefesselt und hätte sich über die Ablenkung durch den flimmernden Bildschirm umso mehr gefreut. Stattdessen hieß es: telefonieren, telefonieren, telefonieren.

Erst später erfuhren die Betroffenen, was das eigentliche Problem war: Mitte Oktober flatterte ein Kündigungsschreiben in die Haushalte. Das war etwa zwei Wochen später. Datiert auf den 13. Oktober, die Kündigung rückwirkend zum 1. des Monats. „Unmöglich“ findet das Florian Kramer. Auch Ralf Göthel empört sich. Sein Problem ist nicht in erster Linie, dass das Netz abgeschaltet wurde. Vielmehr ist er verärgert, wie das Ganze abgelaufen ist – dass die Betroffenen so lange hingehalten wurden und im Ungewissen verharren mussten. „Hier wohnen viele Rentner; man nimmt ihnen so die Informationsquelle.“

Für Göthel ist die Sache klar: Vodafone Kabel Deutschland „hat sich nicht an die Vertragsmodalitäten gehalten.“ Kramer sieht das genauso: „Das ist ein unmögliches Geschäftsgebaren.“

Ähnlich bewertet das auch die Sächsische Verbraucherzentrale. Eine rückwirkende Kündigung sei nicht möglich. Es sei allerdings zu spät, Rechte geltend zu machen. Vor Gericht könnte zwar vielleicht ein Schadensersatzanspruch erwirkt werden. Hier sei jedoch die Höhe des Schadens unklar. Sind es vielleicht die Monatskosten für den Fernsehvertrag bei einem anderen Anbieter? Katja Henschler von der Verbraucherzentrale sagt: „Aber das sind ja nur ein paar Euro – wer geht dafür vor Gericht?“ Sie geht sogar noch einen Schritt weiter: „Genau dieses Kalkül steckt bei Vodafone dahinter: Kann doch eh keiner wirklich was dagegen machen.“

Vodafone Kabel Deutschland schiebt die Schuld in die Schuhe der Telekom.
Diese habe dem Anbieter das Opal-Netz gekündigt, heißt es in dem Kündigungsschreiben. Opal steht für „optische Anschlussleitung“. In den 1990er-Jahren wurde diese verlegt. Anbieter von Kabelfernsehen, wie Vodafone Kabel Deutschland, konnten sich in das Netz einmieten und ihre Dienste einspeisen. Mittlerweile gilt das Netz als veraltet und es gibt
Probleme mit der Ersatzteillieferung, erklärt die Telekom. Deshalb wird es nicht weiter betrieben.

„So etwas weiß man doch vorher“, vermutet Kramer entrüstet. Und tatsächlich: Auf Nachfrage bei der Telekom wird deutlich, dass das Problem seit Langem bekannt ist. Seit 2010 wisse Vodafone Kabel Deutschland, dass das veraltete Netz abgeschaltet wird. Das beschuldigte Unternehmen bestätigt dies. Warum dennoch erst rückwirkend gekündigt wurde? Ein Sprecher von Vodafone Kabel Deutschland erklärt, dass für Gönnsdorf und Schullwitz eine „Sondersituation“ gelte. Das Signal komme zwar über das Opal-Netz, eigentlich würde dort jedoch seit einiger Zeit eine andere Technologie verwendet. Deshalb konnte das Netz in den Ortsteilen „nicht in die Opal-Bestandsaufnahme gelangen.“

Das Opal-Netz war hier quasi der Zubringer zur anderen Technologie, die das Unternehmen nicht näher beschreiben möchte. Es habe nicht gewusst, dass in diesem Bereich deshalb auch das Netz abgeschaltet wurde. Betroffen seien laut Vodafone Kabel Deutschland etwa 20 Kunden.

Was kann ein Verbraucher tun, wenn so etwas passiert? Vor allem gilt es, frühzeitig zu reagieren. Betroffene hätten „die Unwirksamkeit der Kündigung feststellen“ können. Henschler von der Verbraucherzentrale erklärt: „Dann hätte Vodafone das Fernsehsignal noch den Monat laufen lassen müssen.“

In vielen Gegenden baut Vodafone Kabel Deutschland ein neues, eigenes Netz. In Gönnsdorf und Schullwitz sei das „aus wirtschaftlichen Gründen“ jedoch nicht der Fall. Die Bewohner der ländlichen Gebiete müssen sich also einen neuen Anbieter suchen. Bei den Kramers flimmert es inzwischen wieder: Über einen Elektriker haben sie sich eine DVB-T2-Antenne besorgt. Die Kosten dafür mussten sie selber tragen.