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Streit um fehlende Schilder

An drei Stellen streicht die Stadt die Geschwindigkeitsbeschränkung. Das soll nun ein Experte erklären.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Tobias Winzer

Freital. Wenn sich Stadträte zur Raserei verleiten lassen und das auch noch öffentlich zugeben, dann muss der Frust schon ziemlich groß sein. Chris Meyer, Fraktionschef für die Bürger für Freital, nutzte ein drastisches Beispiel, um gegen den Abbau der Tempo-30-Schilder auf der Tharandter Straße am Backofenfelsen zu wettern. „Ich bin extra mit Tempo 70 in die Kurve gefahren“, sagte der Freitaler kürzlich im Technischen Ausschuss des Stadtrates. Der Bremsweg reiche dann nicht mehr aus, um rechtzeitig vor Abbiegern aus der einmündenden Südstraße zum Stehen zu kommen. Unfälle seien so programmiert, folgerte Meyer.

Was war geschehen? Die Stadt hatte im Oktober die Tempo-30-Beschilderung an dieser Stelle sowie auf der Rabenauer Straße abmontiert. Demnächst soll noch ein Tempo-30-Schild auf der Hüttenstraße folgen. Vorausgegangen war ein gemeinsamer Rundgang von Polizei, Straßenverkehrsbehörde und Ordnungsamt. Die Begründung im Fall der Rabenauer und Tharandter Straße: „Gemäß aktueller Straßenverkehrs-Ordnung dürfen Gefahrzeichen – hier das Verkehrszeichen „Achtung Kurve“ – nicht mit Geschwindigkeitsbeschränkungen kombiniert und zusammen verwendet werden“, so die Stadt. Dies sei nur bei besonderen Gefahrenlagen, beispielsweise bei häufig auftretenden geschwindigkeitsbedingten Unfällen, möglich. Solche Unfälle gab es aber in den vergangenen Jahren an der Stelle so gut wie nicht. „Es handelt sich hier nicht um einen Unfallschwerpunkt.“ Und außerdem besage das Kurvenschild laut Straßenverkehrsordnung schon, dass das Tempo zu reduzieren sei.

So jedenfalls die Theorie. Laut Straßenverkehrsordnung „dürfen insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht“. Auf diesen Paragrafen beruft sich die Stadt.

In der Praxis sorgen das Vorgehen der Verwaltung und das Umsetzen der rechtlichen Vorgaben aber für Unverständnis. Müssen erst Unfälle passieren, damit die Stellen zur Gefahrenstelle werden und die Tempo-30-Schilder wieder aufgestellt werden können? „Dass die Schilder auf der Rabenauer Straße abmontiert wurden, stößt auf Unverständnis“, sagte Hans-Gunther Müller, der als sachkundiger Einwohner im technischen Ausschuss sitzt. Als Anwohner kennt er die Situation bestens. Fußgänger, die die Rabenauer Straße überqueren, und Autos, die aus der Tulpenstraße einbiegen wollen, hätten es nun deutlich schwerer. Auch an dieser Stelle sei es nur eine Frage der Zeit, bis es Unfälle gebe.

Laut Bürger-Fraktionschef Meyer seien die Autofahrer bei der Tempo-30-Regelung wenigstens nur 50 km/h gefahren. Nun würden viele Tempo 70 fahren. CDU-Fraktionschef Martin Rülke fragte: „Haben die Experten keinen Ermessensspielraum, welches Schild wichtiger ist? Sowohl die Polizei als auch das Landratsamt verweisen auf die Zuständigkeit der Stadt.

Und die sieht keinen Weg, die abgebauten Tempo-30-Schilder wieder aus dem Depot zu holen. Die Stadt fürchtet Ärger von höherer Stelle. „Eine unzulässige und nicht den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung entsprechende Beschilderung kann durch die obere Verkehrsbehörde des Freistaates Sachsen, das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv), wieder abgeordnet werden“, sagt Rathaussprecher Matthias Weigel. „Die entsprechenden Schilder müssten in einem solchen Fall von der Stadt Freital wieder abgebaut werden.“ Die Stadtverwaltung habe hier also keinen Spielraum, wie auch die gängige Rechtsprechung in ähnlichen Fällen zeige.

Die Stadträte sehen das freilich anders. „Es muss hier ein Kompromiss gefunden und die Tempo-30-Schilder wieder aufgestellt werden“, sagte AfD-Fraktionschef Norbert Maier. „Es gibt Stellen, wo die Tempo-30-Schilder nicht abgebaut werden können und diese Stellen gehören dazu.“

Das Thema soll nun noch einmal auf die Tagesordnung des Technischen Ausschusses kommen. In einer der nächsten Sitzungen solle ein Experte eingeladen werden, der zu der Thematik nochmals informiert und die rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert, sagt Rathaussprecher Weigel. „Ob das ein Vertreter des Lasuv, der Polizei, oder ähnlicher Behörden sein wird, steht aktuell noch nicht fest.“