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Abendessen mit Muslimen

Der Oberbürgermeister war zu einer besonderen Tafel eingeladen. Die Gastgeberin  kam vor Jahren als Kriegsflüchtling nach Deutschland.

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Radebeul. Es duftet im Wohnzimmer von Edina Mimic. Auf einem Tisch neben der Couch stehen dicht an dicht voll beladene Teller, Schüsseln und Platten. Es gibt eine bosnische Suppe mit Hackfleisch, Allgäuer Käseknöpfle, einen russischen Salat, gefüllte Zwiebeln, Nudelsalat, Gulasch und jede Menge süßes Gebäck. Zum Beispiel kleine Schokokugeln mit Kokosraspeln, wie man sie in Bosnien isst.

Von dort stammt Edina Mimic. 1992 kam sie als Kriegsflüchtling nach Sachsen. Seit 16 Jahren lebt sie inzwischen in Radebeul. Am Montagabend hat die 45-Jährige Freunde und Kollegen zum Essen zu sich nach Hause eingeladen. Außerdem sitzt ein prominenter Gast in der Runde: Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos). Muslime und Nicht-Muslime an einen gedeckten Tisch bringen, ist die Idee hinter der Aktion „Speisen für Waisen“ der muslimischen Hilfsorganisation Islamic Relief.

Bei der bundesweiten Hilfsaktion laden Menschen aus dem ganzen Land Gäste, gleich welcher Herkunft oder Religion, zu sich nach Hause ein, um Spenden für Waisenkinder in Not zu sammeln. In entspannter Atmosphäre sollen sich die Anwesenden austauschen und kennenlernen. Auch mit dem Ziel, über Ängste und Vorurteile zu sprechen.

Bei Edina Mimic in Radebeul klappt das von Anfang an. „Da haben Sie sich aber eine Mühe gegeben“, schwärmt der OB mit Blick auf die vielen Köstlichkeiten. Das ganze Wochenende hat die Gastgeberin in der Küche gestanden. „Ich habe mir einen Plan geschrieben, was ich an welchem Tag vorbereite“, sagt sie. Auf den Tellern vor jedem Gast liegen kleine, gehäkelte Blüten aus weißem und grünem Garn. Frauen aus der bosnischen Stadt Srebrenica haben sie entworfen. Als Erinnerung und Mahnung an das Massaker vom 11. Juli 1995, bei dem mehr als 8 000 Bosniaken, vor allem Jungen und Männer, getötet wurden.

Edina Mimic fällt es schwer, davon zu erzählen. Sie hat Tränen in den Augen. Als sie nach Deutschland floh, war sie 21 Jahre alt. „Es war eine harte Zeit.“ Zuerst lebte sie mit anderen Flüchtlingen in einer ehemaligen russischen Kaserne in Dresden. Ihr Abitur wurde in Deutschland nicht anerkannt, sie durfte nicht studieren. Später macht sie eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin und arbeitet jetzt in einer Einrichtung für Geistigbehinderte in Freital. In Radebeul fühlt sich Medina Mimic wohl, auch weil es hier keine rechte Szene gibt, wie sie sagt. Doch als Pegida begann in Dresden zu demonstrieren, wollte sie am liebsten wegziehen aus Sachsen.

Wie war das eigentlich in Radebeul, als die vielen Flüchtlinge kamen, wollen die Gäste vom Oberbürgermeister wissen. „Es ist zum Glück geordnet über die Bühne gegangen“, erzählt Wendsche. Ihm sei vor allem wichtig gewesen, Verständnis füreinander zu schaffen. Deshalb habe er es auch abgelehnt, die Elbsporthalle als Notunterkunft zu nutzen. „Da hätte man den Unmut der Leute auf sich gezogen“, sagt Wendsche.

Es sind ernste Themen, die beim Abendessen angesprochen werden. Aber nicht ausschließlich. „In der Türkei wünscht man dem Gastgeber nach dem Essen, Gesundheit für seine Hände, damit er weiter so gut kochen kann“, erzählt Sevgi Kulanoghu von Islamic Review. „Ob das wohl bei mir zu Hause ankäme?“, antwortet Wendsche. Die Gäste lachen. Auch über Urlaubserlebnisse wird sich ausgetauscht. „Ich war positiv überrascht von den interessanten Gesprächen, bei denen wir sehr offen geredet haben“, sagt der OB.

Beim Gehen stecken die Gäste Geld in eine kleine Büchse neben dem Büfett. In diesem Jahr sollen mit den Spenden, die deutschlandweit bei den Essen zusammenkommen, syrische Waisenkinder unterstützt werden, die in Flüchtlingslagern im Libanon leben.