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Ab sofort pubertierender Rentner

Am Montag wird Biertheater-Urgestein Holger „Blumi“ Blum 50. Und er beschenkt sich kurzerhand selbst.

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© Willem Darrelmann

Von Jens Fritzsche

Radeberg. Eigentlich hat er gar keine Zeit zum Feiern, sagt er. Denn die neuen Songs für sein neuestes Projekt müssen noch eingesungen werden. Auch der nächste Schwank fürs Biertheater ist noch nicht ganz fertig – ach, und das Weihnachtsstück fürs kommende Jahr muss ja auch noch geschrieben werden. „Aber dafür gibt‘s immerhin schon einen Stück-Titel“, sagt er schelmisch grinsend: „Ein Rotkäppchen mit Frau Wolf“, wird es wohl heißen…

Auch als Autor eine Hausnummer: hier in seinem Stück „Heute wegen gestern geschlossen“ mit Norma Fehre.
Auch als Autor eine Hausnummer: hier in seinem Stück „Heute wegen gestern geschlossen“ mit Norma Fehre. © Willem Darrelmann
Um ein Haar wäre Blumi Fußballer geworden. Im aktuellen Stück „Torpedo Malzau“ darf er’s mal sein…
Um ein Haar wäre Blumi Fußballer geworden. Im aktuellen Stück „Torpedo Malzau“ darf er’s mal sein… © Willem Darrelmann
Als „Radeberger Bierhähne“ rocken Blumi und Hans-Jörg Hombsch (hinten) die Bühnen der Republik.
Als „Radeberger Bierhähne“ rocken Blumi und Hans-Jörg Hombsch (hinten) die Bühnen der Republik. © Willem Darrelmann

Holger Blum, den alle nur „Blumi“ nennen, ist Stücke-Schreiber, Biertheater-Akteur, Teil des genialen Musik-Comedy-Duos „Bierhähne“ und ab Februar geht er auch noch mit seinem neuen Solo-Projekt „Nieten in Nadelstreifen“ an den Start. Das, sagt er dann, hat er sich sozusagen selbst geschenkt. Zum Geburtstag. Den er am Montag dann natürlich doch feiern wird. Immerhin ist es ein runder. „Passt ja auch zu meiner Figur“, sagt er – und muss dann laut loslachen. So ist er eben, der Blumi. Einer, der auch mal über sich selbst lachen kann. Auch über seine Figur, die man durchaus als barock umschreiben könnte…

Wollte eigentlich Fußballer werden

Dass es Holger Blum von der Dresdner Johannstadt aus mal auf die Bretter verschlagen würde, die bekanntlich die Welt bedeuten sollen, war so nicht abzusehen gewesen. Denn eigentlich wollte der „kleine Blumi“ Fußballer werden. „Wie jeder Dresdner!“ Dynamo. Natürlich, Dynamo! Aber weil in Johannstadt eben auch Turbine Dresden ansässig ist, versuchte er erst mal dort. „Mit großem Erfolg“, wie er heute mit einem Schmunzeln erzählen kann. „Ich bin drüber weg“, fügt er an. Denn der damalige Trainer war ein sehr einfühlsamer Zeitgenosse gewesen: „Der hat gesagt, Turbine habe eine erste Mannschaft, eine zweite Mannschaft, aber leider keine dritte…“ Damit war das Thema Fußball erst mal beendet. Dass sich im aktuellen Biertheater-Stück „Torpedo Malzau“ aber alles um Fußball dreht, hat dann vielleicht doch ein bisschen tiefen-psychologische Wirkung. „So tief kommt durch meinen Bauchumfang aber nicht wirklich viel durch“, hält sich Holger Blum nicht allzu lange bei der Vergangenheit auf. Die Zukunft wartet, sagt er. Und beschreibt den Sprung über die magische Fünfzig so: „Ich fühle mich als pubertierender Rentner und wollte auch noch mal etwas Neues ausprobieren!“ Gemeint ist das Projekt „Nieten in Nadelstreifen“, das er gemeinsam mit dem Medinger Musiker Andreas Goldmann bestreiten wird, der ja seit Jahren ebenfalls regelmäßig für Musik im Biertheater und auf anderen Bühnen sorgt – von ihm stammen beispielsweise die Noten für die Musik zur kultigen Hexe Babajaga in Dresden. Und natürlich wird es auch in diesem Bühnenprojekt um ein zutiefst philosophisches Thema gehen, verrät Blumi: „Nämlich ob wir Männer ohne Frauen eigentlich überhaupt überlebensfähig sind…“ Die ersten Vorstellungen – zum Beispiel Ende Februar im Radeberger Biertheater – sind schon ausverkauft. Und um eventuellen Gerüchten gleich mal vorzubeugen, stellt Holger Blum klar, „dass es auch mit Bierhähnen weitergeht!“ Im Dezember 2015 wollen Blumi und sein Bierhahn-Partner Hans-Jörg Hombsch schließlich die riesige Stadthalle Chemnitz vollbekommen. „Das klappt“, ist Blumi bei diesem Blick in die Zukunft überzeugt.

Es begann am Großteich

Dabei ist aber auch ein Blick in Blumis Vergangenheit durchaus hilfreich, um zu verstehen, dass dieser Mann nie wirklich ernst sein kann. Aber dennoch ernsthaft! Alles begann irgendwie am Großteich in Deutschbaselitz kurz hinter Kamenz. „Oder davor, je nachdem, von wo aus man guckt“, beschreibt Blumi die Örtlichkeit gern. Vor der politischen Zeitenwende im Herbst 1989 fand am dortigen Teich ein Camp für ehrenamtliche Mitarbeiter von Jugendklubs statt. Und dort gab es einen „Lagerfunk“, der über Lautsprecher „sendete“. Und natürlich hatte Blumi eine Idee! Er übertrug live ein vermeintliches Motorradrennen im tschechischen Brno – und zwar in nachempfundenem Tschechisch. Und sogar mit Live-Motorengeräuschen, die auf einem Plastekamm geblasen wurden. Ein riesiger Erfolg. Der natürlich nach einer Zugabe schrie. Also übertrug Blumi via Lagerfunk dann auch gleich noch die fiktive DDR-Meisterschaft im Mensch-ärgere-Dich-nicht. Schon damals war also klar, dass das sich anschließende Intermezzo als Lackierer und später selbstständiger Obst- und Gemüsehändler in Freital, das ihm nach der Johannstadt zur Heimat wurde, dass dies wirklich nur ein Intermezzo sein konnte. Denn eigentlich muss dieser Mann auf die Bühne. Nur gab es damals eben das Biertheater noch nicht, das musste erst noch erfunden werden. 2002 nämlich – und seither sitzt Holger Blum mit im Biertheater-Boot. Anfangs mit den Bierhähnen als musikalischer Rahmen, aber schnell erkannte Biertheater-Autor Peter Flache das unglaubliche Talent und schuf für Blumi die Figur „Harry Kleinschmidt“, die fortan in den Geschichten aus dem fiktiven Biertheater-Dörfchen Malzau eine durchaus tragende Rolle spielt. „Zumindest eine bauchtragende“, merkt Holger Blum augenzwinkernd an.

Man darf also noch eine Menge erwarten vom „pubertierenden Rentner“ Blumi. Aber jetzt wird erst mal gefeiert!