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99 Tage nach dem Unfall

Die Leidenszeit von Radprofi John Degenkolb hat ein Ende. Sonntag gibt er sein Comeback.

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© dpa

Von Emanuel Reinke

Er verschwendet keinen Gedanken an den Sieg, schon die Rückkehr ins Renngeschehen ist für John Degenkolb ein Erfolg. Nach über dreimonatiger Verletzungspause feiert der Radprofi am Sonntag beim Klassiker Eschborn-Frankfurt seine langersehnte Rückkehr und verfolgt bescheidene Ziele: die Fahrt vor heimischem Publikum genießen – und das Ziel erreichen.

„Frankfurt ist für mich als Heimrennen ohnehin immer etwas ganz Besonderes. Dieses Jahr freue ich mich umso mehr, dass ich ausgerechnet hier mein Comeback nach dem schrecklichen Unfall geben kann“, so Degenkolb. 99 Tage liegen zwischen dem folgenschweren Frontalzusammenstoß mit einer britischen Autofahrerin und der emotionalen Rückkehr am Sonntag. 99 Tage, die für den erfolgsverwöhnten Sprinter die bislang schwierigste Phase der Karriere markieren.

Der gebürtige Geraer, der 2015 die Frühjahrsklassiker Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix gewonnen hatte, war am 23. Januar in Spanien mit fünf Kollegen seines Teams in den schweren Trainingsunfall verwickelt, hatte sich den linken Unterarm gebrochen und beinahe einen Teil des linken Zeigefingers verloren. „Es war pures Glück, dass wir zu keiner Beerdigung mussten und keiner im Rollstuhl sitzt. Da hat der liebe Gott einen Schutzengel geschickt“, sagte Degenkolb.

Nach wie vor ist unklar, ob sein noch immer von einer Schiene gestützter linker Zeigefinger wieder voll funktionstüchtig wird. Radprofis sind Rückschläge gewohnt, Verletzungen und Knochenbrüche gehören zum Berufsrisiko. Doch die Herausforderungen und Folgen, denen sich Degenkolb stellen muss, sind besonders. Er müsse akzeptieren, „dass zum Beispiel das Schuhezubinden nicht funktioniert wie bisher. Das muss man neu lernen“, sagte der 27-Jährige.

Bei den großen Frühjahrsklassikern hatte er wie im Vorjahr groß auftrumpfen wollen. Doch während die Traditionsrennen in Belgien und Frankreich andere Sieger fanden, spulte Degenkolb in der Heimat ein zermürbendes Programm ab: Reha und Trainingsfahrten auf den Feldberg statt Paris-Roubaix. Den Lohn der Plackerei will sich Degenkolb spätestens bei der Tour de France im Sommer abholen. Dann, so hofft er, soll endlich der erste Etappensieg bei der Frankreich-Rundfahrt gelingen.

Nach der Absage des Rennens in Frankfurt im Vorjahr, als zwei mutmaßlich islamistische Terrorverdächtige im Vorfeld festgenommen worden waren, steht auch dieses Mal die Sicherheit im Fokus. In enger Zusammenarbeit mit der Polizei wurde ein Konzept entwickelt. (sid)