Von Udo Lemke
Weinböhla. Zwischen Mitte Mai und Mitte Juni ist sowohl im Teich als auch auf Land die Blütenfülle am größten.“ Es klingt wie eine kleine Entschuldigung, was Dieter Herzog vorbringt. Dabei sind auch jetzt unzählige Blüten zu sehen, sodass einem schier die Augen übergehen. Was sich hier in Weinböhla – abgeschirmt durch Haus, Wald und andere Grundstücke – verbirgt, ist ein kleines Wunder: ein gut 8 000 Quadratmeter umfassendes Gartenreich, das man nicht alle Tage zu sehen bekommt.
Uwe Gebhardt hatte darauf aufmerksam gemacht. Der Gartenbauingenieur und Gartengestalter aus Weinböhla kennt die Herzogs und ihr Refugium und hatte mehrmals empfohlen, es sich doch einmal anzuschauen. Nun also ist es so weit. Dieter Herzog empfängt passend zum Anlass in Latzhose, die Gartenwerkzeuge ragen aus einer Gürteltasche. Karin Herzog kommt dazu, sie stützt sich beim Gang durch die Beete und Rabatten auf einen Rollator.
Die Besichtigungstour beginnt am Wassergarten. Im Teich schwimmen Goldfische, aber nicht nur diese. Es gibt Bitterlinge und Stichlinge, Teichmuscheln und Zwergbarsche. Und das Wasser ist trotz der Fische und Pflanzen glasklar. Das liegt an der Kläranlage, die im ehemaligen Schwimmbecken der Herzogs Platz gefunden hat. Auf sieben Meter Länge filtern verschiedene Pflanzen das Wasser, sogar die Krebsschere ist darunter – eine in Sachsen auf der Roten Liste stehende Art. Hier im vorderen Teil des Gartens gibt es sogar zwei kleine Stücke Rasen, aber es sind die einzigen in dem riesigen Areal, der Rest sind richtige, blühende Wiesen.
Baumpflanzfest
„Mein Mann ist ein Naturfreund“, sagt Karin Herzog. Und er bestätigt, etwas für die Umwelt tun zu wollen, unabhängig von irgendwelchen Parteien. So gesehen ist der Garten der Herzogs nicht nur einer für Pflanzen, sondern auch für Tiere. „Es gibt im ganzen Garten verteilt Sommerflieder, der zieht ja die Schmetterlinge magisch an.“ Auch die Blumenwiesen sehen nicht nur schön aus, sondern sind eine herrliche Insektenweide. „Blindschleichen haben wir viele“, und jedes Jahr brüten Ringeltauben, überhaupt ist der Garten ein Rückzugsgebiet für Vögel. Und seitdem die Herzogs 2004 den Wassergarten angelegt haben, gibt es auch eine stabile Froschpopulation, „es ist ja sonst weit und breit kein Gewässer“.
Dieter Herzog führt weiter in den Garten hinein. Unter einem lang gestreckten Dach wachsen Tomaten. Aber was für welche! Rote, grüne, gelbe, orangene und sogar schwarze sind darunter – etwa zwanzig verschiedene Sorten. „Die alten Sorten sind nicht so ertragreich, aber sie schmecken ganz anders als die neuen.“ Gurken gibt es natürlich auch im Garten und Kürbisse. Es gibt ein Kräuterbeet und zwei Mal im Jahr tragende Himbeeren, Bohnen und Salat und, und, und. „Wir können uns gut von unserem Garten ernähren.“
Was die Tomaten betrifft, so haben sie Karin Herzog in DDR-Zeiten quasi zur Selbstständigkeit verholfen. Damals wuchsen 2 000 Tomatenstauden im Garten. Es lohnte sich, die Früchte zu verkaufen, sie brauchte nicht mehr als Sachbearbeiterin arbeiten zu gehen. Vor mehr als 40 Jahren, 1974, haben sie und ihr Mann den Garten gekauft. Weil sie über die Jahrzehnte den sandigen Boden immer weiter verbessert haben, ist er mittlerweile so gut geworden, dass sich auch die Spanischen Wegschnecken heimisch zu fühlen beginnen . . .
„Ich werde bald 81“, sagt Dieter Herzog. „Meine Frau ist drei Jahre jünger. Die Arbeit im Garten hält uns jung, das ist ein unschätzbarer Effekt.“ Ob sie das auch so sieht, lautet die Frage an Karin Herzog. Sie überlegt kurz: „Durch die Größe des Grundstücks können wir uns nicht zanken.“ Natürlich fordert das Alter seinen Tribut. Dieter Herzog zeigt auf die Eiben und sagt, dass es das erste Mal gewesen sei, dass er Bäume habe verschneiden lassen. Dabei und auch bei der Mahd der Wiesen hilft den Herzogs manchmal Gartengestalter Uwe Gebhardt.
Es gibt ein waldiges Stück im Garten. Dort, wo die Laube steht, gleichsam die Keimzelle des Ganzen, bevor die Herzogs vorn an der Straße das Haus gebaut haben. Hier, in diesem „nicht so gepflegten Teil, der viel mehr Natur ist als alles andere“, sitzen sie manchmal auf einer Bank. Manchmal kommt die Tochter aus dem tiefsten Westen und hilft Karin und Dieter Herzog. Und sie hoffen, dass sie ihr Werk einmal weiterführen kann. Und dann sagt Dieter Herzog: „Der Garten ist nicht in erster Linie Last, sondern Lust – sonst würden wir es nicht machen.“