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6 000 Kilometer für die Fans in Zittau und Görlitz

„Die Amigos“ lassen alle Pop-Stars hinter sich und machen mit neuem Album in der Oberlausitz Station.

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© Uwe Schwarz

Von Uwe Schwarz

Die deutschen Rockfans müssen gerade mal wieder ganz stark sein. Die Amigos haben vor anderthalb Wochen ein Album auf den Markt gebracht und seitdem ist nichts mehr so wie es war. Deutsche Schlager regieren seit Freitag die offiziellen deutschen Albumcharts. Die Hamburger Hip-Hopper „187 Straßenbande“ sind vom Thron gefegt, Linkin Park aus Los Angeles und die US-amerikanische Rocklegende Alice Cooper müssen sich hinten anstellen. Die Amigos aus Villingen in Mittelhessen sind unschlagbar!

„Die Amigos“, das sind die Brüder Bernd und Karlheinz Ulrich, 66 und 68 Jahre alt und im Fach „volkstümlicher Schlager“ zuhause – und deshalb zurzeit mit ihrem neuen Album „Zauberland“ unterwegs. Über 6 000 Kilometer sind sie in den vergangenen zwei Wochen gefahren von TV-Auftritt zu TV-Auftritt, von Autogrammstunde zu Autogrammstunde. Österreich, Schweiz, Plauen, Görlitz, Zittau – und bald Löbau.

Nötig haben der Bernd Ulrich und sein älterer Bruder Karl-Heinz solche Strapazen nicht: „Es ist harte Arbeit. Aber die Fans freuen sich auf uns, also machen wir das auch. Wir schätzen die Dankbarkeit der Leute, die wegen uns stundenlang in der Gluthitze stehen.“ Und die Amigos mit ihren Plattenumsätzen nun schon das achte Jahr in Folge aufs Siegertreppchen hieven. Zum Vergleich: Michael Jackson, ABBA, Pink Floyd und Bon Jovi hatten jeweils sieben Nummer-eins-Alben in Deutschland …

Ihren Aufstieg in die erste Schlager-Liga verdanken die Zwei einem bekannten Lausitzer, dem unvergessenen Entertainer Achim Mentzel. 36 Jahre tingelten die Jungs als Dorfmusikanten durch ihre Heimat. 2006 entdeckte Mentzel eine CD der unbekannten Amigos an der Tankstelle, hörte rein und knebelte seinen Fernsehredakteur: „Lass die in meine Hitparade. Das wollen die Leute.“ Recht hatte er! Heute sind sie Musikantenkönige, überhäuft mit Gold- und Platinplatten und ausgestattet mit dem Musikpreis „Echo“ und der Krone der Volksmusik. Am Freitag machten sie auf dem Görlitzer Marktkauf-Gelände Station. Und das Album, samt DVD, Bilderbuch und Kühlschrankmagneten, war hier schon ausverkauft, als die Musiker noch hinter der Bühne waren.

Es ist viel mehr los als sonst am Freitagvormittag an der Nieskyer Straße. 400 Fans jubeln vom ersten Ton, als die Amigos pünktlich zwischen Fitnessstudio und Marktbaustelle mit ihrem „Boot dass Liebe heisst“ anlegen. Es folgen vier weitere Songs und ernste Worte über ihr ernstes Anliegen: „Wir sind seit vielen Jahren Botschafter vom Weißen Ring und engagieren uns im Bereich Kindesmissbrauch.“ Um ihre Fans wachzurütteln, pressen sie für jedes Album ihre Botschaft ins Schlagergewand, auch wenn das ab und zu jemandem nicht passt.

In der ersten Reihe jubeln Toni Hellwig und seine Freundin Jasmin Neef ihren Amigos zu. Sie kommen aus dem Erzgebirge, er aus Bad Gottleuba, sie aus Freiberg. „Für die Amigos ist uns kein Weg zu weit“, strahlen die zwei und schwenken ihr handgefertigtes Fanplakat. Der 23-jährige Toni steht im knallroten Anzug da: „So einer, wie ihn auch die Amigos auf der Bühne anhaben.“ Die 19-jährige Jasmin kennt schon alle Lieder vom neuen Album und singt strahlend von Anfang bis Ende mit. Wenn sie nicht gerade Bernd und Karl-Heinz mit dem Smartphone filmt. Auf der Handyhülle das Gesicht von Helene Fischer: „Die mag ich auch ganz sehr.“

Damit Ruth Fieber den Tag niemals vergisst, schießen ihre Kinder Erinnerungsfotos mit den Amigos. Die 81-jährige Görlitzerin ist ganz aufgeregt, ihren Idolen auf einmal so nahe zu sein. Enkelin Vivien beruhigt die Oma. Dass die Amigos „Stars zum Anfassen“ sind, findet sogar sie gut. Ob die 26-Jährige wusste, zu wem sie ihre Großmutter da geschleppt hat? „Klar. Die singen immer abends bei Oma im Wohnzimmer.“

Nach 86 Minuten sind alle Görlitzer Fans glücklich. Und für Bernd und Karl-Heinz gibt es endlich wieder eine Zigarette. Die Letzte, für Görlitz. Dann geht’s weiter zur Autogrammstunde nach Zittau. Die gelernten Görlitz-Vokabeln werden sie da gut gebrauchen können: „Kaufen heißt koofen und rauchen heißt roochen.“ Das ist so ziemlich das Einzige, was sie neben ein paar Eindrücken bei der Fahrt durch die Innenstadt von hier mitnehmen.