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58 Selbstmorde in Döbeln

Aus Panik vor den Russen brachten sich zum Kriegsende viele Menschen um. Einige nahmen ihre Kinder mit.

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Von Jens Hoyer

Es sind schreckliche Dramen, die sich im Mai 1945 in Döbeln abspielten. Unser Leser Heinz Schauer verwies nach unserem gestrigen Beitrag zum Kriegsende im Landkreis Döbeln auf eine Veröffentlichung von Hans Dietrich Seidel. Dieser hatte zu den Döbelner Begräbnisstätten recherchiert und dabei auch die Fakten zu den Selbstmorden nach Einmarsch der Roten Armee in Döbeln zusammengetragen. Demnach brachten sich aus Angst vor den Russen vom 6. bis 16. Mai 1945 in Döbeln 58 Menschen um. Oder sie wurden von Familienangehörigen umgebracht, denn unter den Toten waren auch Kinder.

In einem Fall vergifteten sich ein Ehepaar und die Großmutter. Sie nahmen drei Kinder im Alter von ein bis 14 Jahren mit. Die Selbstmörder stammten oft aus gehobenen Bevölkerungsschichten und hatten führende Positionen – Ärzte, Betriebsleiter, Lehrer und Rektoren, Geschäftsinhaber, ein Landgerichtsdirektor und ein Justizinspektor, aber auch ein Oberführer der SA oder SS schieden freiwillig aus dem Leben – durch Erschießen und Vergiften, manche erhängten sich, stürzten sich in die Mulde oder aus dem Fenster. Alle, die so aus dem Leben schieden, wurden im oberen Teil des Niederfriedhofs hinter der Tümmlerschen Familiengrabstätte beerdigt. Es wurden keine Kreuze oder Grabsteine gesetzt. Heute erinnert dort nichts mehr an diese Tragödie.