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50 000 Ausfallstunden

Beim SZ-Schulnavigator ist Unterrichtsausfall der häufigste Kritikpunkt der Eltern. Die Zahlen geben ihnen Recht.

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© dpa

Von Jana Ulbrich

Es sollte alles besser werden – doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: 50 000 Unterrichtsstunden sind im vorigen Schuljahr an den Schulen im Kreis Bautzen ausgefallen, mehr als 14 000 Stunden davon allein an den Gymnasien – 3,6 Prozent der gesamten Stundentafel, so die offizielle Zahl aus dem Kultusministerium. Rechnet man die fachfremden Vertretungsstunden und alle Stunden dazu, in denen die Schüler mit Aufgaben beschäftigt werden, fällt mehr als jede 20. Unterrichtsstunde aus.

Kein Wunder also, dass der Unterrichtsausfall fast durchweg der häufigste Kritikpunkt der Eltern beim SZ-Schulnavigator ist. Und die Zahlen belegen: Die Einschätzung der Eltern ist nicht nur eine gefühlte. Zwar will man weder beim Kultusministerium noch bei der Bildungsagentur in Bautzen eine Aussage zur aktuellen Situation in diesem Schuljahr machen, weil angeblich noch keine Zahlen vorlägen, doch „gefühlt“ dürfte sich die Situation insgesamt nicht großartig verbessert haben.

Auch Schüler sind besorgt

Sogar den Schülern ist die Situation langsam bedenklich. Es gebe immer noch einen hohen Unterrichtsausfall und immer noch sei die Personalsituation an den Schulen „auf Kante genäht“, so lautet eine aktuelle Einschätzung vom Landesschülerrat.

Armin Bartz, der Schulleiter des Immanuel-Kant-Gymnasiums in Wilthen, kann das bestätigen. Obwohl die Schule einen sehr guten Ruf genießt und beim SZ-Schulnavigator in der Bewertung der Eltern überdurchschnittlich gut abschneidet, kann er dem hohen Unterrichtsausfall nicht mehr Herr werden. Fast 1 000 Ausfallstunden und noch einmal so viele fachfremde Vertretungen musste Bartz im vorigen Schuljahr an die Statistiker vom Kultusministerium melden. Und auch in diesem Schuljahr sieht die Lage nicht viel besser aus: „Unsere Personaldecke ist so eng, dass wir keinerlei Spielraum mehr haben, wenn Kollegen krank werden“, erklärt der Schulleiter. Dieses Jahr gibt es allein zwei Kollegen, die langzeitkrank sind.

Situation an freien Schulen besser

Wie den Wilthenern ergeht es den meisten Schulen im Landkreis. Nur am Lessing-Gymnasium in Kamenz hat sich die Situation im letzten Jahr deutlich gebessert. „Wir haben jetzt das Glück, in fast allen Fachbereichen mit einem Lehrerüberhang arbeiten zu können“, erklärt Schulleiter Wolfgang Rafelt. Mit 3,5 Prozent hatten die Schüler in Kamenz 2013/14 nur noch reichlich halb so viele Ausfallstunden als noch im Schuljahr davor. Ihre überzähligen Stunden müssen die Kamenzer Lehrer allerdings größtenteils an anderen Schulen ableisten. 20 Kollegen sind hier gegenwärtig ganz oder stundenweise an andere Schulen abgeordnet.

Dass es auch ganz anders geht, zeigt sich am Christlichen Gymnasium Johanneum in Hoyerswerda, das in freier Trägerschaft geführt wird. Während an den Gymnasien im Landkreis durchschnittlich 3,6 Prozent des Unterrichts ausfallen, ist es am Johanneum nicht einmal halb so viel.

„Wir sind zwar nur eine kleine Einheit, aber gerade das macht es uns möglich, schnell und flexibel zu reagieren, wenn jemand aus dem Kollegium ausfällt“, sagt Schulleiter Günter Kiefer. Er kann in so einem Fall schnell und unkompliziert auf einen Honorarfonds zurückgreifen und Lehrer aus dem Ruhestand oder von anderen Schulen, auch von staatlichen, zur Aushilfe holen. Das System funktioniert. Das Johanneum ist deswegen wohl auch das einzige Gymnasium im Kreis, bei dem sich die Eltern im SZ-Schulnavigator lobend über den geringen Unterrichtsausfall äußern. Bei der Bildungsagentur in Bautzen will man die Gesamtsituation im Landkreis zumindest nicht beschönigen. Ein groß angekündigtes Programm zur „Unterrichtsversorgung“, mit dem zeitweilige Lücken mit Honorarkräften und Abordnungen von anderen Schulen geschlossen werden sollten, stößt bei seiner Umsetzung offenbar an Grenzen. „Es hapert oft an der Passfähigkeit“, gibt Sprecherin Angela Ruscher zu. So gehe es um zumutbare Entfernungen für die Aushilfskräfte oder die passende Fachausbildung.