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400 Jahre und kein bisschen alt

Das Pfarrhaus in Neustadt hat runden Geburtstag. Das wird zum Denkmaltag gefeiert – mit vielen Geschichten.

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© Dirk Zschiedrich

Von Katarina Gust

Neustadt. Wisst ihr noch, damals..., als das Neustädter Pfarrhaus zur Sammelstelle für die Opfer der Jahrhundertflut wurde? Oder Pfarrers Schafe auf dem alten Friedhof und nahe der Polenz weideten, dem heutigen Standort des Lidl-Marktes? Es sind Geschichten und Anekdoten wie diese, die am Sonntag über den Hof des Pfarrhauses hallen werden. Denn zum Tag des offenen Denkmals feiert die Neustädter Kirchgemeinde den 400. Geburtstag des Pfarrhauses.

Es ist nicht nur das älteste Gebäude in der Kommune, sondern auch das am längsten bewohnte Haus. Insgesamt 24 Pfarrer und ihre Familien haben seit 1616 am Kirchplatz gelebt und gearbeitet. Einen großen Unterschied machten sie dazwischen nicht. Denn ihre Tür stand immer offen. Nicht selten stand ein Besucher plötzlich mitten in der Küche der Pfarrfamilie.

Einen Rundgang durch das Haus soll es am Sonntag auch geben. Diakon Thomas Görner bietet Führungen an, die von Keller bis auf den Dachboden führen werden. Ecken, die sonst verschlossen sind. Ab 14 Uhr sollen die Rundgänge stattfinden. „Wir werden das Pfarrhaus jedoch schon ab 10 Uhr für Gäste öffnen“, sagt Pfarrer Friedrich Prüfer, der sich über viele Gratulanten freut. Höhepunkt des Tages wird ein Gottesdienst unter freiem Himmel. Im Pfarrhof wird sich die Gemeinde versammeln. „Wir wollen nach dem Gottesdienst Zeitzeugen zu Wort kommen lassen, die etwas Besonderes mit dem Pfarrhaus verbinden“, sagt Prüfer. Er hat ehemalige Pfarrer eingeladen, allen voran Alfred Mütze, der von 1979 bis 1996 in Neustadt tätig war und heute in Sebnitz lebt. „Wir hoffen, dass er ein paar Anekdoten erzählen wird“, kündigt der Pfarrer an. Doch auch andere Besucher sollen zu Wort kommen und erzählen, was sie als Kind oder Erwachsener hier am Kirchplatz erlebt haben.

Das ist los zum „Tag des offenen Denkmals“

Neustadt

Gleich sechs Adressen können Besucher am Sonntag in Neustadt ansteuern. Der Förder- und Heimatverein Schloss Langburkersdorf, die Kirchgemeinden Neustadt und Lauterbach-Oberottendorf, sowie der Festverein „750 Jahre Polenz“ öffnen ihre Schätze.

Evangelisches Pfarrhaus Neustadt, ab 14 Uhr: Open-Air-Gottesdienst im Pfarrhof anlässlich 400 Jahre evangelisches Pfarrhaus; gemeinsames Kaffeetrinken im Hof; Führungen durch das Pfarrhaus vom Keller bis zum Dach.

Schloss Langburkersdorf, 10-17 Uhr: Führungen durch das Schloss und zu den historischen Deckenplatten im Erdgeschoss.

Kirche Oberottendorf, 10-18 Uhr: Führungen durch das Gotteshaus

Kirche Rückersdorf, 10-18 Uhr: Führungen durch das Gotteshaus

Gesindehaus Polenz, 10-17 Uhr: Informationen über den aktuellen Stand der Bauarbeiten im Gesindehaus und dem Pferdestall. Vor Ort wird historisches Handwerk vorgeführt.

Stolpen

Stolpen Innenstadt, 10-17Uhr: Der Stolpener Geologe Thomas Scholl konnte insgesamt 23 Stationen für den Tag des offenen Denkmales gewinnen. Zu sehen sind historische Basaltgewölbekeller aus dem 13.-15. Jahrhundert, die die mittelalterliche Erd- und Gerüstbauweise veranschaulichen. Es geht in Keller, die mitunter bis zu drei Etagen tief sind und zeitweise als Luftschutzkeller genutzt wurden. Es geht auch auf den Dachstuhl der Stadtkirche, ein Steinkreuz am Bartlitzschen Gut sowie der Baufortschritt dort kann bewundert werden. Und es gibt lohnenswerte Blicke über Stolpen von den Terrassen. Der Stationsplan und Exkursionsführer für individuelle Touren durch die Stadt ist an der Touristeninformation, Markt 5, und online erhältlich. 11 und 14 Uhr wird eine geheimnisvolle Luke am Burghotel mit Thomas Scholle geöffnet. Außerdem kann das neue Bürgerhaus Markt 26 besichtigt werden.

Kirche Lauterbach, Dorfstraße 51, 10-18Uhr: Der Bau besteht aus zwei Teilen: der Östliche stammt aus dem 12. Jahrhundert, der größere Westliche aus dem 18. Jahrhundert. 1945 wurde die Kirche grundlegend verändert, die Empore wurde entfernt, die Bankanordnung verändert und der Altarvorplatz vergrößert. 2010 wurden Turm und Wetterfahne renoviert. Die jetzige Orgel der Firma Jehmlich stammt aus dem 19. Jahrhundert.

Sebnitz

Peter-Pauls-Kirche Sebnitz, Kirchstraße 7, 10 -14Uhr und zum Konzert ab 17Uhr: Die Sebnitzer Kirche wurde vermutlich bereits im 13. Jahrhundert gegründet und Ende des 15. Jahrhunderts noch einmal vergrößert. Das Kirchenschiff mit seiner hölzerner Kassettendecke stammt von 1619. Ferner verfügt die Kirche über einen zweigeschossigen Renaissancealtar sowie eine hölzerne Renaissancekanzel. Der kelchförmiger Taufstein ist von 1586. An der Mittelstütze im Kirchenschiff sind spätgotische hölzerne Madonnenfiguren zu sehen, darüber ein Kruzifix aus der Zeit um 1520.

Zum Tag des Denkmals findet in der Kirche ein Sonderkonzert in der Reihe „Musik in Peter-Paul“ statt. Das Potsdamer Hornquartett und Kantor Albrecht Päßler an der Orgel spielen Musik aus vier Jahrhunderten.

Fachwerkhaus, Pfarrgasse 1a, 10-17 Uhr: Das kleine zweigeschossige Wohnhaus unterhalb des heutigen Gymnasiums wurde 1788 erbaut. Neben der Fachwerkkonstruktion im Erdgeschoss und Obergeschoss zählen das barocke Türblatt und der Zierschiefergiebel zu seinen Besonderheiten. Nachdem das Haus seit Anfang der 1990er Jahre leer stand und verfiel, wurde es 2003 durch den Landesverein Sächsischer Heimatschutz erworben, der sich seitdem um den Erhalt und die schrittweise Restauration kümmert. Ein erster Bauabschnitt erfolgte 2004, 2007 ging es mit der äußeren Instandsetzung weiter, aktuell wird wieder gebaut. Zum Tag des Denkmals bieten die Mitglieder des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz Führungen durch das Gebäude an. Das Haus ist sonst nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.

Technisches Denkmal und Museum Neumannmühle, Kirnitzschtalstraße 5, 10-18Uhr: Älteste im Originalzustand erhaltene Sägemühle im Kirnitzschtal, mit Venezianergatter von etwa 1565, voll funktionsfähig. Anlage zur Erzeugung von Holzschliff von 1870, zurückgehend auf eine Erfindung von Friedrich Gottlob Keller 1843. Mittelschlächtiges Wasserrad, 4,80 Metern Durchmesser, 1,80 Meter breit, 2000 nach historischem Vorbild neu gebaut. Führungen halbstündlich durch Vereinsmitglieder. Sonderausstellung zum 200. Geburtstag von Friedrich Gottlob Keller.

Bad Schandau

Bahnhof Krippen, Friedrich-Gottlob-Keller-Straße 7, 14-18Uhr: Der Bahnhof Krippen diente als Bahnhof für Bad Schandau. Bereits 1860 an der Kapazitätsgrenze, ist er seit 1877 mit der Fertigstellung des Bahnhofs Bad Schandau Haltepunkt. Ansprechpartner zur Sanierung des Bahnhofs sind vor Ort. 16 Uhr: Lesung SZ-Redakteur Gunnar Klehm „Der Fluthelfer“, Ausstellung Marie Eggert unter dem Motto „Krippen en Detail“

Nationalparkzentrum Bad Schandau, Dresdner Straße 2b, 14-18Uhr: Typischer neuklassizistischer Theaterbau, 1954 als größtes sächsisches Filmtheater eröffnet. Nach ca. 4 Mio. Besuchern Schließung 1991. Umfangreiche Umbauten, Sanierung 1999, ab 2001 modernes Nationalparkzentrum mit interaktiven Ausstellungen zum Nationalpark.

Struppen

Schloss Struppen, Kirchberg 6, 11-17Uhr: Erbaut im 15. Jahrhundert für verschiedene sächsische Adelige. Im 18. Jahrhundert noch Hauptquartier der Sächsischen Armee. Nach 1945 Nutzung unter anderem als Umsiedlerheim, Wohngebäude und Kindergarten. Ab 1998 leerstehend und seit 2008 wird das Gebäude vom Schlossverein Struppen unterhalten.

Eschdorf

Das Freigut in Eschdorf verwandelt sich zum Denkmaltag in einen richtigen Markt. Die Mitglieder des gleichnamigen Vereins und die Bewohner bieten Führungen über den Hof und Informationen zur Geschichte des Freigutes an.

Freigut Eschdorf, 10-17 Uhr: Mittelalterlager von Jutta und Thomas Enderlein in der „Semperscheune“; Bogenschießen für Kinder mit dem Blankbogen; historisches Handwerk zum Ausprobieren mit Schnitzer Mateusz Hedin Lacki aus Dresden, Steinrestaurator Joachim Weigel aus Chemnitz, Maler Heiko Kleinert aus Dresden und Tischler Bernd Schäfer aus Eschdorf; Gesang von Kammersängerin Barbara Hoene; kulinarische Versorgung mit dem „Freigutpils“, gebraut bei Bergquell Löbau, Kesselgulasch aus dem Gulaschofen, Eis, Kaffee und Kuchen der Bäckerei Hübner. Verkauf von fangfrischen Forellen aus dem Fischteich von Karsten Preßprich hinter dem Freigut.

Weitere Orte und Führungen unter und

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Manche lustige Geschichte können die Neustädter nachlesen. Denn die Kirchgemeinde hat eine Broschüre herausgegeben, die die vergangenen 400 Jahre aufarbeitet. In dem Heft teilt beispielsweise Pfarrhauskind Maria Roeber ihre Kindheitserinnerungen. Sie gehört zur sechsköpfigen Pfarrfamilie Rudolph, die 1949 nach Neustadt zog. Maria war das jüngste Kind. Sie schwärmt von ihrer Kindheit zwischen Schafstall und Kirche, von Federballspiel über das schmiedeeiserne Tor und den vielen Streichen, die die Mitarbeiter im Büro geduldig ertrugen. Das Arbeitszimmer ihres Vaters Johannes Rudolph, der 1960 zum Superintendenten von Dresden-Land berufen wurde, beschreibt sie als „geheimnisvollen Bereich“, der zwischen dem Elternschlafzimmer und dem Plumpsklo lag. Die Broschüre wird am Sonntag erstmals erhältlich sein. Sie beschäftigt sich auch mit der Baugeschichte des Hauses. Ein Thema, das aktueller nicht sein kann. „Nächstes Jahr wird das Haus saniert“, kündigt Pfarrer Friedrich Prüfer an. Details zum Umbau stehen noch nicht fest. Die Vorbereitungen beginnen gerade erst. Nötig sind die Arbeiten dennoch. Das hat das schwere Unwetter mit Starkregen Ende Mai deutlich gezeigt. Die Fenster hielten den Wassermassen nicht stand, es tropfte hinein. „Damit das Haus noch lange erhalten bleibt, müssen wir etwas tun“, sagt Prüfer.