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300 Mal am Rädchen drehen

Uhrmacher Steffen Kuge findet die Zeitumstellung eigentlich unsinnig – aus unternehmerischer Sicht allerdings nicht.

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© Lutz Weidler

Von Britta Veltzke

Riesa. Die Zeitumstellung naht: In der Nacht zu Sonntag werden die Uhren von zwei auf drei Uhr vorgestellt. Steffen Kuge hält diese Maßnahme, die erstmals 1916 im Deutschen Reich eingeführt wurde, um Energie zu sparen, eigentlich für unsinnig: „Ob ich nun morgens das Licht früher anmache oder abends – das kommt aufs Gleiche raus.“ Doch aus einem Grund findet der Uhrmacher die Zeitumstellung dann doch nicht so schlecht. „Allein heute waren schon fünf Kunden da, denen ich die Uhr umgestellt habe“, erzählt er. Denn wenn die Rädchen verrosten oder verkleben, kommen die Uhrenbesitzer zu ihm in die Elbgalerie. „Das bemerken die Kunden dann natürlich, wenn die Zeitumstellung mal wieder bevorsteht.“ Und manchmal verkaufe er dabei auch gleich noch eine neue Uhr. „Es gibt auch Kunden, die haben von vornherein zwei Uhren. Eine für die Sommer- und eine für die Winterzeit.“

Aha, und wofür das? „Casio hat zum Beispiel eine sehr robuste Digitaluhr. Ich nenne sie Bauarbeiteruhr. Die ist auch wasserdicht. Allerdings werden die Drücker irgendwann schwergängig, und dann lassen sich die Uhren nicht mehr umstellen. Daher haben manche Leute einfach zwei davon.“ Doch die Umstellung auf die Sommerzeit bedeutet für Steffen Kuge auch eine Menge Arbeit, die sich nicht unmittelbar auszahlt. Um ihn herum tickt und tackt es aus jeder Ecke: Armbanduhren, Wanduhren und Wecker von Wänden und aus Vitrinen. Sie alle warten darauf, umgestellt zu werden. „Das mache ich nach und nach“, sagt er und schnappt sich gleich mal eine hundert Jahre alte Wanduhr mit hellem Ziffernblatt und dunklem Holzgehäuse. Etwa 300 Exemplare muss Steffen Kuge umstellen – zwei Mal im Jahr.

Uhrmacher ist der Riesaer mit dem Kinnbart bereits in vierter Generation. Wie sein Vater, der Stadtrat Manfred Kuge, hat auch schon Urgroßvater Cosmas Kuge das Handwerk gelernt. Sein Laden stand in Schlesien. „Meine Familie ging dann 1945 von dort weg“, erzählt Steffen Kuge. Ein Foto an der Wand in seinem Laden erinnert noch an das Geschäft von „C. Kuge“ im Örtchen Nimptsch (heute Niemcza), 50 Kilometer südlich von Breslau.

Eigentlich wollte Steffen Kuge aus dieser Tradition ausbrechen, aber: „Früher herrschte eben ein anderes System. Als Handwerkerkind hatte man es bei der Berufswahl nicht gerade leicht.“ Tierarzt habe er werden wollen. Doch die Steine, die ihm damals im Weg lagen, waren ihm am Ende dann doch zu groß. „Also bin ich auch Uhrmacher geworden“, sagt der 49-Jährige. Gelernt hat er das Handwerk bei seinem Vater. Bereut habe er das im Nachhinein nicht. „Ich mag meinen Beruf.“ Seit anderthalb Jahren hat er seinen Laden jetzt in der Elbgalerie. Vorher war er in Oschatz.

Auf der weltweit größten Messe für Uhren und Schmuck, die derzeit in Basel stattfindet, monieren die Hersteller einen Rückgang beim Armbanduhrenverkauf. Als Grund dafür wird auch das Handy genannt, das inzwischen jeder mit sich rumträgt und ebenfalls die Uhrzeit anzeigt. Steffen Kuge hingegen beobachtet einen anderen Trend. „Besonders junge Männer, die etwa bei Versicherungen oder Banken arbeiten, legen sich wieder vermehrt Uhren zu.“ Ihnen komme es dabei weniger darauf an, die Uhrzeit im Blick zu haben, als vielmehr auf ein schönes Accessoire – egal, ob zur Winter- oder Sommerzeit.