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24 Tage für Tharandt

Ein besonderer Adventskalender soll den Zusammenhalt im Ort stärken – in Tharandt kein Einzelfall.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Verena Schulenburg

Tharandt. Bunte Papierröllchen baumeln von der Wand. In dem Körbchen unterm Tisch stapeln sich kleine Geschenke, warten auf ihre neuen Besitzer. „Die sind für die Kinder des Dorfhainer Kinderheimes“, sagt Annaluise Erler. Die Chefin der Tharandter Buchhandlung „Findus“ sammelt jedes Jahr die Wunschzettel der Kinder, die das Weihnachtsfest nicht in ihrer Familie feiern können. Den Tharandtern und Besuchern der Buchhandlung bleibt es überlassen, diese oftmals bescheidenen Wünsche zu erfüllen. Am 15. Dezember werden die derzeit 30 Kinder der Dorfhainer Einrichtung ihre Geschenke in der Buchhandlung vom Weihnachtsmann entgegennehmen.

Eine ehrenamtliche Aktion, die sich in insgesamt 24 Veranstaltungen einreiht, festgelegt auf 24 Tage. Unter dem Namen „Tharandter Adventskalender“ laden die Einwohner der Forststadt und Ortsteilen vom 1. bis 24. Dezember an verschiedenen Lokalitäten zum besinnlichen Beisammensein ein – seit sechs Jahren schon.

Annaluise Erler hat diese Art des Adventskalenders damals nach Tharandt geholt, mit Erfolg. Auch wenn es viel Zeit und Nerven kostet, das Programm auf die Beine zu stellen – alle Jahre wieder. „Bei manchen Mitstreitern muss man etwas mehr Überzeugungsarbeit leisten, andere wiederum sind immer mit Eifer dabei“, erzählt die 56-Jährige. Letzteres trifft zum Beispiel auf das Team des Umweltbildungshauses Johannishöhe oder die Kirchgemeinde zu, die am letzten Adventstürchen zu Christvesper und Krippenspiel die Pforten der Tharandter Bergkirche öffnet.

Die Aktionen rund um den Tharandter Adventskalender sind verschieden, genauso wie die Akteure selbst. Während bei Annett Borgwardt, der Chefin der Tharandter Hauswirtschaft, am 2. und 23. Dezember Plätzchen gebacken werden und geschlemmt wird, striezt die Fitness- und Tanzlehrerin Sophia Erfurt kurz vorm Festschmaus am 20. Dezember ihre Gäste beim kostenlosen Langhantel-Training. „Ein Sektchen gibt’s auch dazu“, sagt die 25-jährige Pohrsdorferin und lacht.

Stadt unterstützt Vereine

Ihr gehe es darum, Kunden etwas zurückzugeben, einfach mal „Danke“ zu sagen, erklärt Erfurt, die auch sonst nebenbei mal ehrenamtlich trainiert. Der eigene Profit rückt an diesen Tagen in den Hintergrund – nicht immer leicht, gerade im turbulenten Weihnachtsgeschäft. Denn die Ideen hinter den Veranstaltungen des Kalenders sollen in erster Linie eines sein: selbstlos. Beisammensein, sich Zeit nehmen füreinander und miteinander sein stehen im Vordergrund. „Das ist wichtig“, sagt Annett Borgwardt, auch über die Adventszeit hinaus. Jeder sei gefragt, etwas fürs Miteinander zu tun. „Sonst schläft der Ort irgendwann ein“, sagt die 41-Jährige.

Dass die Tharandter ausgeschlafene Geister sind, zeigt das soziale Engagement in Stadt und Ortsteilen. Insgesamt 53 Vereine sind hier aktiv, 548 Gewerbetreibende. Etliche Menschen engagieren sich darüber hinaus zu bestimmten Anlässen oder in Projekten, weiß Stadtsprecher Alexander Jäkel. Auch das zu Ende gehende Festjahr zu 800 Jahren Tharandt hat dies bewiesen. „Das aktive Tun der Bürger, Vereine und Gewerbetreibenden, miteinander gestalten und gut zusammenleben zu wollen, ist das Besondere in unserer Stadt, sagt Bürgermeister Silvio Ziesemer (parteilos) anerkennend. Ein Engagement, das die Stadt jährlich mit 44 500 Euro an Vereine und Einrichtungen unterstützt.

Dass die Menschen in Tharandt und Ortsteilen nicht die Augen davor verschließen, was vor ihren Haustüren passiert und wie es anderen geht, zeige auch der Umgang mit der Flüchtlingskrise, heißt es seitens der Rathausspitze. Ohne den Einsatz der Menschen vor Ort wäre diese Herausforderung nicht zu bewältigen gewesen. Es ist Engagement im Großen wie im Kleineren, dem Adventskalender, weiß Annaluise Erler: „So eine Gemeinschaft lebt vom Geben und Nehmen.“