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24 Stunden im Sattel

Mehr als 100 Radler machen am Sonnabend eine Mammut-Tour. Auch zwei Paußnitzer sind dabei – auf ganz verschiedene Weise.

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© Eric Weser

Von Eric Weser

Strehla. Noch haben Stefan Müller-Bahlmann und sein Kumpel Dirk Fritzsche gut Lachen. Aber schon in wenigen Stunden wird es ernst. Dann machen sie beim „Maurice Brocco 400“ mit, einem Fahrrad-Rundrennen der besonders extremen Art.

Doch von vorn. Stefan Müller-Bahlmann ist Wahl-Paußnitzer mit einem Faible für alte Fahrräder. Im Keller seines Hauses hat er das wohl kleinste Radmuseum am Elberadweg eingerichtet. Als die SZ darüber berichtet, werden Fahrrad-Verrückte aus Leipzig aufmerksam. „Die haben mich gefragt, ob ich bei ihrem nächsten Fahrradrennen einen Kontrollpunkt am Museum einrichten würde“, erzählt Müller-Bahlmann. Er sieht die Chance, seinen Wohnort ins Rampenlicht zu rücken und sagt zu.

Nicht im Rampenlicht, sondern im Schein einer Straßenlaterne wird er nun am Samstagabend ab 22 Uhr eine Nachtschicht schieben. Bis 8 Uhr morgens harrt Stefan Müller-Bahlmann am Buswartehäuschen an der Dorfstraße aus und erwartet Radfahrer. Dank fleißiger Helfer aus dem Ort und den Radläden Krautwald und Weser wird der Checkpoint eine Mischung aus Kaffeekränzchen und Radwerkstatt sein: mit Kuchen, belegten Broten, Süßigkeiten, Cola und Kaffee zur Stärkung. Und Werkzeug und Ersatzteilen, falls Teilnehmer technische Probleme an ihren Fahrrädern beheben müssen.

Während Stefan Müller-Bahlmann sich am Bushäuschen die Nacht um die Ohren schlägt, kommen auf Dirk Fritzsche bereits ab Mittag ganz andere Strapazen zu. Fritzsche, ebenfalls Paußnitzer, steigt bei der Extrem-Radtour als einer von gut 100 Teilnehmern in den Sattel. Das Ziel: Binnen 24 Stunden die 400-Kilometer-Rundstrecke (siehe Karte) absolvieren. Selbst für einen wie ihn, der fast jeden Tag 60 Kilometer mit dem Rad von Paußnitz über Mühlberg zur Arbeit ins Zeithainer Rohrwerk fährt, eine Herausforderung. Dass er sie meistern wird, davon geht der Anfang-Vierzigjährige aus. „Ich bin im April schon eine 300-Kilometer-Tour gefahren, von Leipzig nach Prag. Das ging“, zeigt sich der drahtige Paußnitzer selbstbewusst.

Start der Straßentour ist Sonnabend auch wieder in Leipzig. Anstrengend vor allem dürften die Anstiege in der Gegend um Chemnitz werden. Durch den Fichtelberg Radmarathon von vor ein paar Tagen fühlt sich Dirk Fritzsche darauf gut vorbereitet. Was ihn an dem Ausdauerrennen über Hunderte Kilometer Landstraße reizt? Da tut sich der Schlosser mit einer Antwort schwer. Umso klarer seine Ansage, ob Aufgeben für ihn infrage kommt: „Nie!“

Auf den Weg machen wird sich Dirk Fritzsche mit seinem schwarzen Rennrad, Helm und Rennfahrer-Kluft. Im Sattel wird der Paußnitzer neben dem Strampeln vor allem eins: Ständig Energie nachtanken. „Essen und Trinken darf man nicht vergessen. Du musst eigentlich nur am Kauen sein.“ Den finalen Energieschub für die letzten 60 Kilometer nach Leipzig wird sich Dirk Fritzsche beim Heimspiel am Stopp in Paußnitz holen. Dort bekommen alle Teilnehmer auch eine spezielle Erinnerung an den Ort: einen Stempel mit dem magischen Paußnitzer Ring. Nur, wer am Ende die vier Stempel aller Checkpoints vorweisen kann, darf sich erfolgreicher Teilnehmer des „Maurice Brocco 400“ nennen.

Benannt ist das Ausdauer-Rennen übrigens nach einem französischen Radfahrer, der bei der Tour de France 1911 eine zunächst verachtete, später aber akzeptierte Renntaktik entwickelte: dass sich ein Fahrer in den Dienst eines anderen stellt.

Dass die Mitfahrer ihm einen Dienst erweisen, hofft auch Dirk Fritzsche. Um beim Rennen die richtige Route zu finden, wolle er sich an jemanden dranhängen. Das dürfte funktionieren. Denn bei Rennen dieser Art geht es nicht vorrangig um Bestzeiten oder den Sieg. Sondern um eine gute gemeinsame Zeit unter Fahrrad-Verrückten.