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2017 fehlen in Dresden 6.600 Wohnungen

Eine neue Studie bescheinigt der Stadt ein „Neubau-Defizit“. Gerade preiswerter Wohnraum ist demnach bald kaum noch zu haben. Die Verwaltung sieht das Problem nicht.

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Von Franziska Dähn

Die Wohnungsnot in Dresden scheint größer als bisher angenommen: Eine aktuelle Studie des Pestel-Instituts geht davon aus, dass bereits in fünf Jahren rund 6.570 Mietwohnungen fehlen. Das Institut für Systemforschung Eduard Pestel hat die Studie im Auftrag der Wohnungsbau-Initiative erstellt. Dazu gehören etwa der Deutsche Mieterbund und die IG Bau. Die SZ zeigt die zentralen Punkte der Untersuchung auf.

Die Ausgangslage: Dresden boomt

Dresden ist Geburtenhauptstadt. „Die Geburtenzahl in Dresden liegt über dem bundesdeutschen Schnitt. Das ist für eine Universitätsstadt ungewöhnlich. Zudem ziehen die Familien nicht mehr ins Umland – sie bleiben in Dresden“, sagt Studienleiter Matthias Günther. Die Folge: Dresden wächst und damit der Druck auf dem Wohnungsmarkt.

Das erste Problem: Neubau-Defizit

In den letzten Jahren habe es nur einen geringen Neubau von Wohnungen gegeben, meint der Experte. Gemessen am gesamten Wohnungsbestand seien dies nur etwa 0,3 Prozent pro Jahr gewesen. „Die größte ‚Bausünde‘ war, dass zu wenig neu gebaut wurde. Vor allem der Mietwohnungsbau ging generell zurück“, so Matthias Günther. In der Tendenz fehlten in Zentrums- und Uninähe Wohnungen sowie einerseits bezahlbarer, kleiner Wohnraum und andererseits Unterkünfte im Luxussegment, so der Experte. Petra Becker vom Mieterverein Dresden und Umgebung teilt diese Einschätzung: „Es wird eng auf dem Dresdner Wohnungsmarkt. In manchen Segmenten ist es jetzt schon schwierig bis unmöglich, etwas zu finden. So etwa für Hartz-IV-Empfänger.“

Das zweite Problem: Veraltete Bausubstanz

Neben dem „Neubau-Defizit“ warnt der Experte vom Pestel-Institut zugleich vor einer Überalterung der Bausubstanz: 54 Prozent der Dresdner Wohnungen stammten aus der Zeit vor 1970. „Ein Großteil dieser Wohnungen ist weit von dem entfernt, was heute Standard ist: beim Energieverbrauch, bei der altersgerechten, barrierearmen Ausstattung und beim Grundriss“, so Günther. Hier widerspricht Petra Becker vom Mieterverein: „Das Alter der Wohnungen ist nicht das Problem. Nach der Wende wurde fast der gesamte Bestand saniert, gerade in den Wohnungsgenossenschaften.“ 91 Prozent der Dresdner Wohnungen sind neu gebaut oder saniert. Dies wirke sich allerdings auf den Preis aus, so Becker.

Die Prognose der Stadt: Nur 2.600 fehlende Wohnungen

Die Verwaltung geht bisher nicht von einer problematischen Verknappung im Mietwohnungssektor aus, sagt Sprecherin Nora Jantzen. Der positiven Bevölkerungsentwicklung stünde ein „nicht unerheblicher Leerstand im Wohnungsbestand“ gegenüber. Ende 2010 waren dies 28.000 Wohnungen.

Die Verwaltung hat zudem eine eigene Prognose in Auftrag gegeben, die im gleichen Zeitraum wie das Pestel-Institut nur etwa 2.600 fehlende Wohnungen in Mehrfamilienhäusern ausmacht. Bis 2025 allerdings müssten demnach 6200 Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern entstehen, damit der Bedarf gedeckt werden kann. Die Stadt unterstütze „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ die positive Entwicklung der Bautätigkeit, etwa bei Baugenehmigungen und durch Koordinierungsprozesse, so Sprecherin Jantzen. Deshalb wurden 2011 mit Baugenehmigungen für etwa 800 Wohnungen doppelt so viele ausgestellt wie im Jahr zuvor. Zugleich wurden 668 Wohnungen fertig gebaut, 2010 waren es nur 148.

Lösungsansätze: Sozialer Wohnungsbau

Das Pestel-Institut fordert eine steuerliche Erleichterung für Bauherren. Der jährliche Abschreibungssatz sollte auf vier Prozent erhöht werden. Matthias Günther befürwortet sozialen Wohnungsbau und kommunale Wohnungsgenossenschaften. Petra Becker fordert die Stadt auf, Grundstücke darauf zu prüfen, ob sie für Investoren interessant sein könnten. „In der Region darf der Abriss von Wohnraum nicht länger steuerlich gefördert werden“, sagt sie. Beim Gagfah-Bestand habe die Stadt zu spät auf die neue Entwicklung reagiert.

Mehrere Stadtratsbeschlüsse haben sich der drohenden Wohnungsnot angenommen: Bis Ende Juni etwa soll ein Wohnkonzept für Dresden erarbeitet werden.