Merken

2012 ohne Verluste in Afghanistan

Am 11. Dezember meldete die Bundeswehr aus Afghanistan einen Verkehrsunfall mit drei leicht verletzten Soldaten. Eine Woche zuvor klangen die Nachrichten aus dem Norden des Landes, in dem die Bundeswehr seit mehr als zehn Jahren im Einsatz ist, dramatischer.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Sven Siebert, Berlin

Am 11. Dezember meldete die Bundeswehr aus Afghanistan einen Verkehrsunfall mit drei leicht verletzten Soldaten. Eine Woche zuvor klangen die Nachrichten aus dem Norden des Landes, in dem die Bundeswehr seit mehr als zehn Jahren im Einsatz ist, dramatischer. Eine Patrouille sei in der Nähe des Außenpostens „OP North“ beschossen worden. Ein paar Stunden später aber die Ergänzung: „Bei dem Beschuss handelte es sich möglicherweise um eine afghanische Hochzeitsgesellschaft, die landestypisch Schüsse in die Luft abgab.“

Das sind die beiden letzten Meldungen aus Afghanistan, die die Bundeswehr im vergangenen Jahr verschickte – ein leichter Verkehrsunfall, eine missinterpretierte Hochzeitsfeier. Es gibt auch ernstere Meldungen aus den vergangenen zwölf Monaten. Im Land herrschen immer noch „kriegsähnliche Zustände“, wie man seit der Zeit von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sagt. Aber 2012 war für die Bundeswehr das ruhigste Jahr seit Langem.

Erstmals seit Beginn des Einsatzes kam kein deutscher Soldat ums Leben – weder durch Unfall noch durch „Fremdeinwirkung“ bei Anschlägen oder Gefechten. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, die Statistik belege, dass sich die Sicherheitslage trotz Rückschlägen weiter stabilisiert habe. Der Einsatz bleibe aber gefährlich. „Wir müssen weiterhin auf Rückschläge gefasst sein“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.

Und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) möchte nach Aussage seines Sprechers zwar nicht unbedingt die Gefallenenstatistik heranziehen, spricht aber dennoch von einem „durchaus erfolgreichen Jahr“.

Verluste bei den Afghanen

Der Kommandeur der Internationalen Schutztruppe Isaf für Nordafghanistan, Bundeswehr-General Erich Pfeffer, spricht von einer „Trendwende“ im deutschen Einsatzgebiet. „Die Sicherheitslage im Norden Afghanistans hat sich in den vergangenen 18 Monaten deutlich verbessert“, sagte Pfeffer der Nachrichtenagentur dpa.

Nicht nur statistische Daten belegten, dass die Zahl der Vorfälle abgenommen habe. „Wesentliches Kennzeichen dafür ist vor allem die zunehmende Fähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte, diese Vorfälle eigenständig zu beherrschen“, sagte der General.

Sie seien mittlerweile bei praktisch allen Operationen in Nordafghanistan federführend. Und die afghanische Regierung kündigte erst vor wenigen Tagen an, die Verantwortung in weiteren Provinzen schneller als geplant übernehmen zu können. 90 Prozent der Bevölkerung leben dann in Gebieten, die die afghanische Regierung selbst kontrolliert.

Dieser Prozess ist ein Grund, weshalb die Deutschen weniger in Gefechte verwickelt oder von Anschlägen betroffen waren als in den Jahren zuvor. Die Opferzahlen bei der afghanische Armee, vor allem aber bei der afghanischen Polizei sind dem Vernehmen nach hoch – sie finden aber nur selten Eingang in die deutschen Meldungen.

Hinter der Beruhigung der Lage im „Regionalkommando Nord“ stecken aber auch handfeste militärische Erfolge. Nachdem der Bundeswehr die Kontrolle vor allem in der Region Kundus zwischen 2008 und 2010 weitgehend entglitten war, brachte ein Strategiewechsel die Wende.

Vor allem die Verlegung amerikanischer Spezialkräfte und Kampfhubschrauber zeigte Wirkung. Aber auch deutsche Spezialkräfte gingen in Kommandooperationen gegen Aufständische vor. Zahlreiche Taliban-Führer wurden gefangen genommen oder getötet – ein Vorgehen, mit dem die Bundeswehr in ihrer Öffentlichkeitsarbeit sehr diskret umgeht.

Bundesverteidigungsminister de Maizière persönlich hat für 2013 die „Rückverlegung“ aus den Standorten „OP North“ und Kundus befohlen. Das ist von großer Symbolik, weil die Bundeswehr gerade hier Verluste durch Anschläge und Gefechte zu beklagen hatte.

Truppenreduzierung 2013

Im Januar wird der Bundestag ein neues Afghanistan-Mandat für die deutsche Truppe beschließen. Bis Frühjahr 2014 soll die Zahl der Soldaten von jetzt 4.400 auf maximal 3.300 reduziert werden. 2014 soll der Einsatz unter dem Dach der Isaf enden. Danach werde es ein neues Mandat geben, das sich auf Ausbildung und Unterstützung der Afghanen konzentriere, kündigte de Maizière an. Man werde Afghanistan auch nach Ende des Isaf-Einsatzes „nicht alleinlassen“.

Die Bilanz für 2012 ist positiv, der Ausblick auf 2014 skeptisch. Groß sind bei Bundeswehroffizieren und zivilen Experten die Zweifel, ob es der afghanischen Regierung gelingen wird, ein Aufbrechen der zahlreichen ethnischen, religiösen und kriminellen Konflikte zu verhindern. Und auch de Maizière sagt, es stehe noch einiges bevor, um den Weg des Erfolgs weiterzuführen.