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20 Jahre Kinderklinik

Das Rehazentrum in Zscheckwitz feiert rundes Jubiläum. Einer der Chefärzte ist von Anfang an dabei – und blickt zurück.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Stephan Klingbeil

Kreischa. Gefeiert wird mit einem Fachsymposium. Die Klinik im Kreischaer Ortsteil Zscheckwitz mit dem Rehabilitationszentrum für Säuglinge, Kinder und Jugendliche und junge Erwachsene wird 20 Jahre. Zum runden Geburtstag ist aber keine große Party vorgesehen. Dafür halten auch noch diesen Sonnabend Ärzte aus Deutschland und der Schweiz wissenschaftliche Fachvorträge. Als Moderator mit dabei ist Dr. Dirk Heinicke, einer der Chefärzte.

Der 55-jährige Mediziner ist schon seit Anfang dabei und blickt in diesen Tagen häufiger auf die vergangenen zwei Jahrzehnte zurück. „Von Haus bin ich Kinderarzt, bin 1997 von der Dresdner Uniklinik her gekommen“, sagt der Kreischaer. Dann habe sich der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Neuropädiatrie spezialisiert.

Die Entscheidung, Mitte der 1990er-Jahre am Standort des ehemaligen Ritterguts in Zscheckwitz ein Reha-Zentrum für Kinder und Jugendliche mit neurologischen Erkrankungen zu errichten, hing eng mit dem vorhandenen Rehabilitations-Standort der Klinik Bavaria in Kreischa zusammen. „Damals gab es in den neuen Bundesländern so eine Einrichtung noch nicht, Patienten mussten nach Bremen oder Baden-Württemberg zur Reha“, so der Chefarzt.

Dass sich die Eröffnung des Klinikbaus monatelang verzögerte, habe an Ausgrabungsfunden gelegen. In Zscheckwitz seien bei den Bauarbeiten Reste einer Höhensiedlung aus der Bronzezeit gefunden worden. Zwei Jahre nach dem Beschluss wurden 1997 erste Patienten aufgenommen.

Und noch heute ist die Kinderklinik Zscheckwitz die einzige Einrichtung dieser Art in Mitteldeutschland – und in bestimmter Hinsicht sucht sie sogar bundesweit ihresgleichen. „Bestimmte Syndrom-Erkrankungen werden nur bei uns behandelt, daher kommen Kinder und Jugendliche und ihre Angehörigen aus ganz Deutschland hier her“, sagt Dr. Heinicke. In Zscheckwitz gebe es zum Beispiel spezialisiertes Fachpersonal, um junge Patienten mit Prader-Willi-Syndrom zu behandeln. Dabei handelt es sich um eine Stoffwechselerkrankung, die mit einer angeborenen Genmutation zu tun hat. Verhaltensstörungen und Gewichtszunahme sind Begleiterscheinungen. Auch bei der Morbus Wilson, bei der durch eine oder mehrere Genmutationen der Kupferstoffwechsel in der Leber gestört ist, wird hier spezielle Hilfe geboten.

Die Jüngsten, die in der Klinik mit 150 Betten behandelt werden, sind Frühchen, die ältesten Patienten etwa 30 Jahre. Auch Säuglinge aus schwierigen Verhältnissen sind dort. Klinik und Jugendämter aus ganz Deutschland arbeiten Hand in Hand.

Aus Osteuropa, vor allem aus Russland, Serbien und Kroatien, kommen ebenfalls immer mehr Patienten her – oft privat, auf eigene Rechnung. Seit zwei Jahren werden auch öfter Araber behandelt. Die Reha sei angesichts sprachlicher und kultureller Besonderheiten etwas schwieriger, aber kein Problem. Fünf bis zu zehn Patienten mit Flüchtlingshintergrund gebe es pro Jahr.

„Wir haben hier einen riesigen Pflegepool, nicht nur aufgrund unserer Spezialisierungen“, so der Kinderneurologe. Kinder und Jugendliche bräuchten viel und mehr Pflege als Erwachsene. In Zscheckwitz gebe es daher neben verschiedenen Therapeuten zahlreiche Kinderkrankenschwestern, Kinder- und Jugendärzte sowie Pädagogen. Wie viele Leute tatsächlich in Zscheckwitz arbeiten, teilte die Klinik Bavaria nicht mit.

Dr. Heinicke ist vor allem auch stolz darauf, dass das Pädagogenteam schon seit vielen Jahren besteht und im Haus eigener Schulunterricht mit eigenem Personal gewährleistet werden kann. Unterricht für Grundschüler, Oberschüler, Gymnasiasten und in mehreren Förderschulbereichen werden angeboten. Auch das sei ein Alleinstellungsmerkmal. Darüber hinaus ist die Klinik auch nicht nur auf neurologische Rehabilitation fokussiert. Anfangs war das noch der Fall, mittlerweile nimmt dies stabil rund zwei Drittel der Behandlungen ein.

Über die Jahre kamen weitere Fachgebiete hinzu, orthopädische, rheumatologische oder Stoffwechselerkranungen etwa, aber auch die Kindercardiologie und die Behandlung von Kindern mit Tumoren. Ferner gibt es eine Intensivstation für Notfälle.

Teils bietet die Einrichtung auch Sterbebegleitung, wenn es keine Hoffnung mehr auf Heilung gibt. „Klar, wir haben in den vielen Jahren auch Kinder verloren, das nimmt einen mit“, so Dr. Heinicke. „Aber es gab auch viel Positives.“ Etwa, wenn Kinder mit schwereren Hirnschäden herkommen und nachher selbstständig zur Schule gehen können. Besonders in Erinnerung blieb dem Facharzt der August 2002. Bei der Jahrhundertflut konnten dank der Anstrengungen von Klinikleitung und Personal über Nacht die jungen Patienten aus der Uniklinik Dresden aufgenommen werden. „Das klappte schnell und reibungslos.“

Der Schwerpunkt künftiger Erweiterungen in der Klinik liege indes in der Säuglingsreha. Hier werden Technik und Räumlichkeiten erneuert, Personal spezialisiert. In den 20 Jahren ändert sich vieles. Manche Erkrankungen, die 1997 seltener vorkamen, häufen sich nun – so etwa Verhaltensstörungen oder Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen. Auch dazu gibt es diesen Sonnabend ab 9 Uhr in der Klinik Fachvorträge. Ab 14 Uhr ist zudem eine Klinikbesichtigung möglich. Der Eintritt ist frei.