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20 Gramm Crystal täglich in die Elbe

Die Spuren des Konsums von Methamphetamin finden sich auch im Dresdner Abwasser. Gefahren fürs Trinkwasser der Stadtbewohner gibt es jedoch nicht.

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© Sven Ellger

Von Peter Hilbert und Maximilian Helm

Die synthetische Droge Crystal Meth wird in Dresden kräftig konsumiert. Das belegt ein jetzt vorgelegter Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht. Diese hatte die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) in der Schweiz beauftragt, Abwasser-Proben in über 50 europäischen Städten zu analysieren, um Drogen nachzuweisen. Die ETH ist auch auf die Stadtentwässerung Dresden zugegangen, berichtet Geschäftsführerin Gunda Röstel. „Ich begrüße die Studie sehr – auch wenn es für uns sehr aufwendig war“, sagt sie.

Seit 2013 wurden in jedem Jahr eine Woche lang Proben genommen. Das geschah am Zulauf der Kläranlage, wo die Abwässer von 600 000 Einwohnern aus Dresden und umliegenden Orten wie Pirna, Heidenau und Freital, ankommen. An einem Probenahme-Automaten wird über den ganzen Tag hinweg stündlich bis zu einem Liter Abwasser in eine Flasche gefüllt. „Die Proben eines Tages kamen in ein Gefäß“, erklärt Röstel. Aus dieser Mischung wurde ein Viertelliter abgefüllt. Vom Labor ging die tiefgefrorene Probe dann gut verpackt in ein Labor in die Nähe von Barcelona. „Diese Methode ist absolut repräsentativ“, versichert Röstel. So können beispielsweise auch die täglichen Schwankungen im Drogenkonsum nachgewiesen werden.

Tschechische Drogen für Dresden

Das größte Problem gibt es in Dresden mit Crystal Meth. Dieses kristalline Metamphetamin ist eine chemische Substanz. Eingenommen durch Mund oder Nase, macht die gefährliche Droge meist schon beim ersten Versuch abhängig. Der in der Region konsumierte Stoff wird in tschechischen Drogenküchen unweit der Grenze hergestellt. Nach Angaben der Bundespolizei ist das Geschäft fest in der Hand der vietnamesischen Mafia.

Laut der Studie konnten in den Abwässern von 1 000 Menschen im Klärwerk Kaditz täglich im Durchschnitt 136,7 Milligramm Crystal nachgewiesen werden. Das ist der vierte Platz in den über 50 untersuchten europäischen Städten, in Deutschland Rang eins. An der Spitze liegt das slowakische Bratislava mit 672 Milligramm.

Bei herkömmlichen Drogen rangiert Dresden hingegen weit hinter der Spitzengruppe. Als Beispiel führt die Abwasser-Chefin Kokain an, bei dem 17,7 Milligramm pro 1 000 Einwohner ermittelt wurden. Beim Spitzenreiter Antwerpen liegt dieser Wert bei 915 Milligramm, bei London bei 895. Sowohl bei Ecstasy als auch bei Cannabis und Heroin gibt es ähnliche Werte, die in Dresden sehr weit unter den jeweiligen Spitzenreitern sind. So wurden hier 12,7 Milligramm Ecstasy in den Abwässern pro 1 000 Einwohner gefunden. Beim Spitzenreiter Eindhoven in Holland wurden 915 Milligramm nachgewiesen. Bei allen Drogen zeigt die Analyse deutlich, dass an Wochenenden mehr Drogen konsumiert werden als an anderen Tagen.

Dadurch, dass Dresden offenbar ein Crystal-Umschlagplatz ist, werden hier sehr viele dieser teuflischen Kristalle konsumiert, schlussfolgert die Abwasserchefin. Nach der Suchthilfestatistik des Freistaats sind in Dresden 129 Abhängige je 100 000 Einwohner erfasst, was sehr viel ist. Die meisten Konsumenten gibt es mit 80 Prozent in der Gruppe der 20- bis 34-Jährigen. Dramatisch ist, dass dies auch den Nachwuchs von crystal-süchtigen Eltern trifft. Die Zahl der Mädchen und Jungen, die deshalb in Pflegefamilien leben, stieg in den vergangenen fünf Jahren enorm. Rund 100 Kinder von crystal-süchtigen Müttern werden jährlich in Dresden geboren.

Im Gegensatz dazu sind die Drogenreste im Dresdner Abwasser nicht gefährlich, erläutert Röstel. „Der Anteil ist verschwindend gering, sodass dies bei der Ableitung in die Elbe keine Rolle spielt.“ Etwa 75 Prozent der Stoffe können im modernen Kaditzer Klärwerk aus dem Abwasser entfernt werden. So fließen etwa 20 Gramm Crystal täglich in den Fluss – das entspricht einer Messerspitze voll. Dort vermischen sich die an normalen Tagen 120 000 Kubikmeter Abwasser noch mit den Elbfluten. Auch durch den Bau einer vierten Reinigungsstufe könnten die Spurenstoffe der Drogen nicht vollständig entfernt werden. Zumal ein derartiges Vorhaben etwa 40 bis 50 Millionen Euro kosten würde.

Fürs Dresdner Trinkwasser gebe es ebenfalls keinerlei Gefahr, versichert Drewag-Sprecherin Gerlind Ostmann. Im Werk Coschütz wird Wasser aus den Talsperren Klingenberg und Lehnmühle aufbereitet. In Hosterwitz und Tolkewitz ist es hingegen Uferfiltrat der Elbe und Grundwasser. „Aber bereits an den Zuläufen sind dort keinerlei Drogen nachweisbar“, sagt sie. „Das Rohwasser wird dann noch gereinigt und aufbereitet.“ Es gehöre zu den bestkontrollierten Lebensmitteln, erfülle alle Qualitätskriterien und könne bedenkenlos getrunken werden.