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18 Treffer im Verfassungsschutz-Bericht

Die NPD verschafft Riesa gleich mehrere Auftritte. Ein anderer Akteur bleibt im Hintergrund.

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© Lutz Weidler

Von Christoph Scharf

Riesa. Die Vorstellung des Verfassungsschutz-Berichtes wird in Riesa immer aufmerksam beobachtet. Rückt der Sitz des NPD-nahen Verlags „Deutsche Stimme“ in der Geschwister-Scholl-Straße die Stadt doch immer in den Fokus der Verfassungsschützer. Im diese Woche veröffentlichten Vorabbericht für 2016 taucht der Name Riesa deshalb gleich 18-mal auf. Zum Vergleich: Die durch Asylproteste 2016 in den Schlagzeilen präsente Stadt Heidenau kommt auf lediglich zwölf Treffer. Die SZ fasst die Ergebnisse zusammen.

Rechtsextreme Konzerte und Demos

Laut Verfassungsschutz hat die NPD kaum noch aktive Strukturen in Sachsen. Der Kreisverband Meißen zählt allerdings dazu. Ein Schwerpunkt liegt demnach in Riesa – wo die NPD mit dem Gebäude des Deutsche-Stimme-Verlags über ein Treffobjekt im Partei-Eigentum verfügt. Dort trafen sich im November 2016 sächsische NPD-Funktionäre mit dem Parteivorsitzenden Frank Franz in Riesa, um auf einer Klausurtagung über die künftige strategische Ausrichtung der NPD in Sachsen zu beraten.

Die Verlagsgesellschaft mit Sitz in Riesa hat allerdings laut Verfassungsschutz nach finanziellen Problemen immer mehr an Bedeutung verloren. Schon 2015 war der Warenversand von Riesa an einen NPD-Funktionär in Thüringen übergeben worden, auch der Buchversand wurde ausgelagert. Übrig blieb die Herausgabe des NPD-Organs Deutsche Stimme. Nach Angaben des Landesvorstandes steht die Halle nun leer. Ein kleiner Teil werde vom Medienprojekt „DS-TV“ genutzt – das seit Frühjahr 2015 Videos produziert und online stellt.

Der NPD-Landesvorstand hatte 2015 vergeblich die Erhebung eines Sonderbeitrages gefordert und schließlich die Mitglieder um eine freiwillige Abgabe gebeten, da das Objekt sonst verkauft werden müsse. Die Finanzierung des Objektes soll nun offenbar mit Veranstaltungen abgesichert werden: Ein Teil des Gebäudes firmiert seit 2015 als „Haus Wieland“ – eine Art „nationales Begegnungszentrum“ mit Schlafplätzen. Im Juni 2016 gab es dort ein „Sommerfest“, bei dem auch der rechtsextremistische Liedermacher „FreilichFrei“ vor 150 Gästen spielte. Der Verfassungsschutz registrierte vergangenes Jahr auch ein Konzert des szenebekannten Liedermachers Frank Rennicke in Riesa, der vor 80 Besuchern auftrat. Im Dezember schließlich gab es im Gebäude der Deutschen Stimme noch ein Konzert mit den rechtsextremen Musikern „Phil von Flak“ und dem Sänger „A3stus“. Dort zählte der Verfassungsschutz 120 Gäste.

In der Öffentlichkeit trat der NPD-Kreisverband mit Infoständen und Kundgebungen im Landkreis auf. So gab es im ersten Halbjahr 2016 Demonstrationen in Zeithain, Gröditz, Moritzburg und Riesa. Die Behörde registrierte dabei zwischen 60 und 200 Teilnehmer. Im zweiten Halbjahr wurden keine NPD-Demos registriert.

Dauergast im Verfassungsschutz-Bericht ist auch die Riesaer Band Selbststeller, die überregional in der rechtsextremistischen Szene bekannt ist. Sie gab 2016 Konzerte innerhalb und außerhalb Sachsens und beteiligte sich auch an einer neuen CD. Neu dabei ist die Textil-Marke „Label 33“ aus Gröditz, die jetzt als rechtsextremistisch eingestuft wurde. Inhaber ist der Besitzer des ebenfalls rechtsextremistischen Verlags Libergraphix. Die Marke wirbt mit dem Spruch „Label 33 – Was war, kommt wieder“ – für den Verfassungsschutz ein Beleg für die neonationalsozialistische Grundhaltung des Betreibers, der sich auf die NS-Machtergreifung 1933 beziehe.

Neben Libergraphix aus Gröditz habe auch der Verlag „Nation & Wissen“ aus Riesa rechtsextremistische Bezüge. Im Landkreis insgesamt rechnen die Verfassungsschützer der rechtsextremistischen Szene aktuell zwischen 50 und 100 Personen zu.

Linksextreme Einzelkämpfer

Anders als der Rechtsextremismus gilt der Linksextremismus in Sachsen vor allem als Phänomen der Großstädte. Im Landkreis Meißen rechnet die Behörde lediglich Einzelpersonen der linksextremistischen Szene zu. 2016 hätten die im Landkreis nur eine öffentlichkeitswirksame Aktion auf die Beine gestellt. Insgesamt wurden elf linksextremistische Straftaten im Kreis Meißen erfasst, davon eine Gewalttat. Zum Vergleich: 92 Straftaten galten als rechtsextremistisch, darunter drei Gewalttaten.

Islamisten suchen Einfluss

Seit 2015 gibt es deutlich mehr Muslime in Sachsen – und damit einen steigenden Bedarf an islamisch-religiösen Einrichtungen. In Riesa und Meißen ist die Dresdner Gesellschaft SBS in die Lücke gesprungen und hat Gebetsräume angemietet. Auch wenn die Organisation im Verfassungsschutzbericht 2016 nicht namentlich auftaucht, unterstellt ihr die Behörde doch vielfältige Kontakte zur Muslimbruderschaft. Die Experten gehen davon aus, dass „neu entstehende islamische Gemeinden möglicherweise in das Blickfeld von islamistischen Organisationen geraten können und diese versuchen werden, die entsprechende Einrichtung für ihre Zwecke zu missbrauchen“. Solch eine ideologische Einflussnahme bis hin zur Unterwanderung könne häufig für die Öffentlichkeit völlig unbemerkt vonstattengehen. Typisch sei eine Doppelstrategie, wie sie von der Muslimbruderschaft praktiziert werde: Dabei werde die jeweilige Gemeinde durch Muslimbrüder organisatorisch unterwandert und ideologisch beeinflusst. Aus taktischen Gründen würden offen erkennbare Bezüge zur Muslimbruderschaft vermieden.

Die Muslimbruderschaft ist demnach die weltweit einflussreichste sunnitische islamistische Bewegung. Sie wird von den Verfassungsschutzbehörden als extremistisch kategorisiert. Angestrebt wird die Bildung einer islamischen Gesellschaft sowie die Errichtung eines islamischen Staates auf der Grundlage der Scharia, der islamischen Rechts- und Lebensordnung. Aus ihr sei etwa die terroristische Organisation Hamas hervorgegangen, die das Existenzrecht Israels verneint und den Staat bekämpft. Als inoffizielle Deutschland-Vertretung der Muslimbrüder wird die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland“ (IGD) gewertet. Das Auftreten hochrangiger Akteure aus deren Umfeld beim Aufbau neuer Gebetsräume in Sachsen sei ein konkreter Anhaltspunkt für eine Einflussnahme der Muslimbruderschaft. Die Verfassungsschützer erwarten, dass sich die Aktivitäten der Muslimbruderschaft in Sachsen verstärken – auch die seit Jahren zunehmenden salafistischen Bestrebungen.