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174 Tage Sonne

Ein Riesaer hat vor einem halben Jahr ein ungewöhnliches Fotoprojekt gestartet. Jetzt ist es vollbracht.

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© Christian Bartzsch/ Volkssternwarte Riesa/Schwager

Riesa. Der längste Tag des Jahres ist gerade vorbei. Nun werden die Tage wieder kürzer, die Nächte länger – und die Sonne steht nicht mehr ganz so hoch am Himmel. Den täglichen Sonnenlauf hat der Riesaer Christian Bartzsch jetzt mit einem besonderen Projekt auf Zelluloid gebannt. „Strichspuraufnahmen der Sterne sind immer wieder schöne astronomische Motive“, sagt das Gründungsmitglied der Riesaer Sternenfreunde. Er habe sich gefragt, ob sich diese Methode nicht auf die Sonne übertragen ließe – und sei im Internet fündig geworden.

„Das Prinzip ist recht einfach“, erklärt Bartzsch. „Jede leere Getränkedose kann in eine Lochkamera umgewandelt werden.“ Mit einer Stecknadel werde dazu ein Loch etwa auf halber Höhe der Dose gepiekst. „Zu jeder Kamera gehört auch ein chemisches Fotopapier dazu.“

Die so gebaute Apparatur hatte Bartzsch dann stationär aufgebaut und festgebunden. „Dabei bleibt das winzige Loch über die ganze Zeit geöffnet.“ Die lange Belichtungszeit schafft dann die interessanten Linien, wie sie nun auf der Solargrafie zu sehen sind. Sie zeigen den täglichen Sonnenlauf, vom Aufgang über den Höchststand bis zum Sonnenuntergang. Nicht nur das: Es lässt auch über mehrere Tage der steigende Sonnenstand bis zur Sommersonnenwende festhalten, welcher bedingt durch das Zusammenspiel der Erdachsenneigung und der Position der Erde um die Sonne verändert wird. „Während der Wanderung der Erde um die Sonne bleibt die Erdachsenneigung konstant“, erklärt der Vorsitzende der Sternenfreunde, Stefan Schwager. „Durch die unterschiedliche Ausrichtung der Erdachse gegenüber der Sonne entstehen die Jahreszeiten und die unterschiedlichen Tageslängen. Aber auch der jahreszeitliche Sonnenstand hängt vom geografischen Ort ab.“ Das Solargrafie-Projekt hatte Christian Bartzsch bereits am 28. Dezember 2015 gestartet. Insgesamt 174 Tage blieb seine Lochkamera an Ort und Stelle – bis zum 19. Juni dieses Jahres. In dem Solargrafie-Foto aus Riesa sind an einigen Stellen auch Unterbrechungen der Sonnenbahnen zu sehen. Die simple Ursache dafür: schlechtes Wetter. Wegen der langen Zeit, die die Lochkamera an Ort und Stelle aufgestellt war, musste Christian Bartzsch im Vorfeld Einiges beachten. „Neben einem stabilen Unterbau des Gebäudes war es auch wichtig, dass die Dose während der langen Belichtungszeit unversehrt bleibt“, erklärt der Sternenfreund. „Vögel und Menschen sind von Natur aus neugierige Wesen. Die einen könnten die Dose als Höhle oder Nest für die Brut verwenden, die anderen öffnen oder beschädigen die Lochkamera und dessen Inhalt.“

Seine Faszination für die Astronomie hat Christian Bartzsch zeitgleich mit der Fotografie entdeckt. „Seit 2003 fotografiere ich spannende Phänomene am Himmel.“ Mit den ungewöhnlichen Fotos der Sonnenbahnen will sich der 30-jährige Diplom-Physiker auch weiterhin beschäftigen. „Im Moment suche ich nach weiteren schönen Motiven für die Solargrafie.“ Ein konkretes neues Fotoprojekt gebe es allerdings noch nicht. (SZ)