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116 Blumensträuße und gute Laune

Kerstin und Jürgen Dreßler feiern Jubiläum und gedenken des Gründers. Ein Brief von 1947 erzählt über die Anfänge.

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© Matthias Weber

Von Mario Heinke

Am Sonntag feiern Kerstin und Jürgen Dreßler das 70-jährige Jubiläum des Augenoptikgeschäftes am Markt ohne großes Tam-Tam im kleinen Kreis. Am 22. Oktober 1947 gründete Augenoptikermeister Erich Scholz das Unternehmen.

Das Zunftzeichen erinnert an den Gründer Erich Scholz.
Das Zunftzeichen erinnert an den Gründer Erich Scholz. © Matthias Weber

Wie es dazu kam, darüber berichtet ein alter, maschinengeschriebener Brief vom November 1947. Er liest sich, wie ein Thriller. Darin schildert der Gründer, was ihn veranlasste, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und ein neues Optikergeschäft am Markt zu eröffnen. Scholz berichtet über die Nachkriegswirren bei „Fehrmann“, dem damals größten Optikerladen in der Inneren Weberstraße 5, der zu DDR-Zeiten zum „Haus der Technik“ und nach der politischen Wende zu „Foto Porst“ wurde. Erich Scholz arbeitete dort in leitender Position und zeitweise als Geschäftsführer. Als er im Mai 1947 vom Schwiegersohn des Firmeninhabers auf den Posten des Einkaufsleiters abgeschoben wurde, nahm er frei und zog sich nach Lückendorf zurück.

„In einer stillen Woche der Zurückgezogenheit wurde ich mir über mein Schicksal klar“, schreibt der Zittauer an seinen ehemaligen Kollegen in Köln. Zunächst habe er geplant sich in Herrnhut „eine kleine, bescheidene Existenz aufzubauen“, verrät der Brief. Weshalb es nicht dazu kam, steht im folgenden Absatz. „In später Nachtstunde erhielt ich die Mitteilung, dass sich im Herbst in Zittau ein vierter Optiker niederzulassen gedenke“, schreibt Scholz. Diese „alarmierende“ Nachricht können Chronisten wohl als die Geburtsstunde der Firma „Optik Scholz“ werten, aus der später „Optik Dreßler“ wurde. „Ich steuerte 180 Grad Gegenkurs und innerhalb von drei Tagen, hatte ich eine Gewerbegenehmigung“, berichtet der Gründer nicht ohne Pathos. Erich Scholz verließ im September 1947 die Firma „Fehrmann“, in der er „dreißig Jahre in Treue gedient hatte“. Seinen ehemaligen Chef Fehrmann, bezeichnet er in dem Brief nur als Herrn F., und auch sonst findet er wenig schmeichelnde Worte für seinen Ex-Chef: „Man rechnete mich ab wie einen Lohnkutscher“, beschwert er sich, um danach in Euphorie zu verfallen: „Ich war frei! Zum ersten Mal im Leben.“ Im letzten Teil erzählt der Gründer über die gelungene Eröffnung, den 116. Blumengruß und den „Laden der guten Laune“.

Jürgen Dreßler ist amüsiert über die blumige Ausdrucksweise, liest er die eng geschrieben Zeilen der alten Korrespondenz auf dem hauchdünnen Papier.

Im Jahre 1957, zehn Jahre nach der Geschäftseröffnung wird Achim Dreßler, der Vater des heutigen Inhabers, bei Scholz eingestellt. Er übernimmt das Optikergeschäft im Jahre 1972 vom Gründer und führt es erfolgreich über die Wendezeit. 1987 beginnt sein Sohn Jürgen die Ausbildung bei ihm und erwirbt 1994 den Augenoptikermeistertitel. 1991 beginnt Jürgen Dreßlers Ehefrau die Lehre zur Augenoptikerin bei ihrem späteren Schwiegervater. Im Jahre 2005, als der Vater in den Ruhestand geht, übernimmt Jürgen Dreßler das Geschäft.

Neben der Beratung rund um das Sehen, beginnend mit der Sehstärkenbestimmung, dem Auswählen einer individuellen Fassung und dem Anpassen der fertiggestellten Brille, bietet der 46-Jährige Kontaktlinsen, Sehhilfen, Sonnen- und Sportbrillen in Sehstärke und Brillenreparaturen an. Die Dreßlers wohnen in Bertsdorf und haben eine Tochter, die Tiermedizin studiert. Sie wird das kleine Unternehmen nicht weiterführen, so viel steht jetzt schon fest, sagt Jürgen Dreßler. Am Prinzip „Laden der guten Laune“ will er trotzdem festhalten.