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100 Säcke Kleidung täglich

Die Löbauer Kleiderkammer ist für alle da – selbst die Polizei greift darauf zurück. SZ war einen Tag vor Ort.

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© www.foto-sampedro.de

Von Constanze Junghanß

Löbau. Marlis Lopez reißt mit Schwung den Plastesack auf. Es scheppert. Zwischen den Kleidungsstücken sind Scherben versteckt. Zum Glück hat sich die Leiterin der Löbauer Kleiderkammer nicht verletzt. Frau Lopez schüttelt den Kopf. „Immer wieder mal haben wir mit Müll in den Spendenbeuteln zu tun“, sagt sie und zählt auf: Verdorbene Lebensmittel – kürzlich jede Menge Verpackungen mit vergammelten Broilern – alte Ofenrohre, volle Windeln... Und ab und an zerfledderte Pornohefte sowie – Frau Lopez spricht etwas leiser hinter vorgehaltener Hand – Vibratoren und Ähnliches. Für die fünf Mitarbeiterinnen und die beiden ehrenamtlichen Helferinnen in der Löbauer Kleiderkammer ist das Sortieren solcher „Fundstücke“ eine ekelige Angelegenheit. „Spenden“ dieser Art wandern sofort in den Müll. Unbrauchbar. Die Entsorgungskosten bleiben am Träger der Einrichtung hängen. Das ist das Deutsche Rote Kreuz Löbau (DRK). Zwei Kleiderkammern betreibt das DRK. Eine in Ebersbach-Neugersdorf und die andere in Löbau an der Äußeren Zittauer Straße.

Dort hält aktuell die Faschingszeit auf den Kleiderständern Einzug. Bunte Lampions schmücken die Decke. Neben Jacken und Mänteln, Bettwäsche und Handtüchern, Hosen und Schuhen gibt es ein Extra-Gestell für kleine Prinzessinnen, Indianer und Co. Gegen einen Obolus, der zwischen fünf Cent und einem Euro liegt, darf sich jeder bedienen. Völlig kostenfrei ist die Kleiderkammer nicht. Die Nutzer sollen die Sachen ein stückweit wertschätzen und sie nicht einfach wegwerfen, wenn sie nach ein paarmal Tragen verschmutzt sind. Denn diese Erfahrung haben die Mitarbeiter in der Anfangszeit gesammelt und sich deshalb für die finanziell überschaubare Gegenleistung entschieden. Das Prinzip funktioniert. Die Löbauer Kleiderkammer gibt es nun schon seit 1992.

Das Besondere hier ist: Niemand muss seine Bedürftigkeit nachweisen. In den meisten Einrichtungen dieser Art werden dagegen entsprechende Papiere verlangt. Nicht so beim DRK in Löbau und Ebersbach-Neugersdorf. „Jeder der möchte, kann bei uns Kunde sein“, sagt Marlis Lopez. Hintergrund dafür ist, dass es kaum Menschen gebe, die trotz genügend Geld gebrauchte Anziehsachen kaufen wollen. Und da es neben Arbeitslosen auch Rentner, Alleinstehende oder Familien mit kleinem Budget gibt, ist die Kleiderklammer für diese Leute ebenfalls ein Anlaufpunkt. Eine Bescheinigung muss kein Kunde vorlegen. Die Mitarbeiter setzen stattdessen einen Vertrauensvorschuss. Und fragen ihre Kunden auch nicht nach deren Lebenssituation aus. Jeder kann mal Hilfe benötigen, lautet das Motto. Ob einmalig oder längerfristig sei nicht von Belang.

Nur habe sich das bisher noch nicht überall herumgesprochen. Vielleicht traue sich auch nicht jeder, vorbeizukommen, mutmaßt Frau Lopez. Offen für die Kleiderkammer zeigten sich jetzt allerdings Schüler vom Löbauer Gymnasium. Im Rahmen eines ökologischen Projektes nahmen die Mädchen und Jungen die Einrichtung unter die Lupe, um zu schauen, wie gebrauchte Bekleidung einer sinnvollen Verwertung zugeführt werden kann.

„Kammer“ ist auch eigentlich das falsche Wort für den kleinen Laden an der Äußeren Zittauer Straße. Ordentlich sortiert nach Größen und fein säuberlich zusammengelegt werden die Sachen hier präsentiert. Die Mitarbeiter achten sorgfältig darauf, dass kein Gelumpe oder gar kaputte Waren in den Regalen zu finden sind. „Wir haben sogar Markensachen dabei“, sagt die Leiterin und zeigt auf eine Reihe schicker Oberteile. Es komme eben darauf an, was gespendet wird. Jeden Tag sortieren die Frauen im Durchschnitt 100 Säcke mit Bekleidung. Und dann gibt es noch die Straßensammlungen des DRK. Kleidersäcke werden dafür an die Haushalte verteilt und befüllt wieder abgeholt. Im Altkreis gibt es zudem 20 Kleidercontainer der Organisation. Alles, was darin landet, wird per Handarbeit einzeln sortiert – weit über tausend Teile täglich. Kleidung, die nicht gut genug oder schmutzig ist, kommt nicht unter die Leute. Sie landet bei einer Verwertungsfirma, die das aufkauft.

Die Kundenzahl hat sich auf rund 100 Kunden pro Woche eingependelt, wie Frau Lopez weiß. Als allerdings die ersten Flüchtlinge nach Löbau kamen, war die Spendenbereitschaft sogar ein kleines bisschen größer. Das erwies sich als notwendig. Jeden Tag kamen um die 50 Asylsuchende – vor allem Familien mit Kindern – um sich einzudecken. Das habe nun allerdings wieder abgenommen. Neben Privatpersonen benötigen das Fachkrankenhaus Großschweidnitz und die Polizei die Hilfe der Kleiderkammer. „Da geht es dann in der Regel um Notfälle, wenn zum Beispiel Menschen aufgegriffen oder in Obhut genommen werden, die Anziehsachen benötigen“, sagt Silke Seeliger, Geschäftsführerin vom DRK Löbau. Ebenso wurde diese Form der Unterstützung schon von Hochwasser- und Wohnungsbrandgeschädigten in Anspruch genommen.

Öffnungszeiten Kleiderkammer an der Äußeren Zittauer Straße 47a in Löbau: Montag, Mittwoch, Donnerstag 9 bis 12 Uhr und 12.30 Uhr bis 15 Uhr, Dienstag 9 bis 12 Uhr und 12.30 Uhr bis 18 Uhr und Freitag 9 bis 12 Uhr.