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100 Bahn-Jobs in Sachsen gefährdet

215 Güterverkehrsstellen werden eingestellt. Die Gewerkschaft schlägt Alarm. Der Konzern relativiert seinen Rückzug.

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© dpa

Von Michael Rothe

Die Deutsche Bahn (DB) will mehr Güterverkehr auf die Schiene bringen. Der Weg: Sie dampft ihre Güterverkehrsstellen ein. Diese DB-Logik erklärt sich mit dem zweiten Halbsatz, der Zielstellung: „und dabei schwarze Zahlen schreiben“.

Vor zwei Wochen waren interne Streichlisten des Konzerns an die Öffentlichkeit gelangt. Darauf: 215 Verladestationen, die in den nächsten Jahren geschlossen werden sollen – davon 18 in Sachsen. Weitere 154 von insgesamt 1 500 Adressen, darunter neun im Freistaat, sind gefährdet.

Volker Linke, Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in Dresden, sieht durch den Abbau in Sachsen „über 100 Jobs“ bedroht – dazu 250 in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Die EVG habe einen Mahnruf an die Landespolitik geschickt, die „wahnwitzigen“ Pläne zu verhindern, sagt er. Statt des nötigen Ausbaus drohe ein „fortwährendes Siechtum im Schienenverkehr“, heißt es dort. Vor der Aufsichtsratssitzung von DB Cargo am 8. Juni soll es eine große Protestkundgebung geben.

Die Bahn relativiert: Die Streichkandidaten seien aufkommensschwach, machten nur 0,4 Prozent vom Umsatz aus. Ihre Schließung sei „in keiner Weise ein Rückzug aus der Fläche“, heißt es. Auch gebe es noch keinerlei Beschlüsse.

Eckart Fricke, Konzernbevollmächtigter der DB für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, verweist darauf, dass die 18 Schließadressen für nur 30 Waggons pro Woche stünden. Zum Vergleich: „An den 62 Stellen in Sachsen, die wir weiter bedienen, werden wöchentlich im Schnitt 6 622 Waggons umgeschlagen“, so der Manager.

Auch seien unter den Streichadressen „Karteileichen, wo seit Jahren nichts mehr passiert“. Dazu gehöre die Verladestelle Horka. Dass sie nicht mehr bedient werden soll, sei kein Widerspruch zum zweigleisigen elektrischen Ausbau der Strecke Hoyerswerda–Knappenrode–Horka zur deutsch-polnischen Grenze, wie die Grünen in Sachsens Landtag monieren. Sie sprechen von einer „verkehrs- und umweltpolitischen Kapitulation der Bahn“. Reduziere sie die Transportkapazitäten, bedeute das eine Zunahme des Lkw-Verkehrs, befürchtet die Verkehrspolitikerin Katja Meier.

Auch Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hat Widerstand angekündigt. „Bei allem Verständnis für den Kostendruck“ akzeptiere er eine Schließung in dieser Größenordnung nicht – fast jede vierte der 73 Bahnstationen.

Der Deutsche Speditions- und Logistikverband bedauert zwar die Rückzugspläne von DB Cargo. Zugleich eröffneten sie aber Alternativen für private Anbieter, heißt es.

Tatsächlich sitzen DB-Konkurrenten wie ITL in Dresden in den Startlöchern. „Wir prüfen die Übernahme einzelner Standorte“, sagt Prokurist Holger Harsch. So habe es ein „wenn auch noch zu unkonkretes Angebot“ gegeben, den Güterbahnhof Friedrichstadt zu übernehmen. ITL mit 238 Mitarbeitern, rund 90 Millionen Euro Jahresumsatz, 60 Loks und 700 Waggons gehört zur Captrain-Gruppe, einer Tochter der französischen Staatsbahn SNCF.