Merken

Verhärtete Front im Hooligan-Prozess

Schlechte Tonaufzeichnungen, ignorierte Ermittlungsansätze – noch immer hagelt es Kritik im Prozess gegen die mutmaßlichen Chefs der „Hooligans Elbflorenz“.

Teilen
Folgen

Von Alexander Schneider

Die Abhöraktion im Dresdner Gefängnis war eine gute Idee. Wenn verdächtigte Anführer einer Hooligan-Gruppe nach einem Dreivierteljahr ihren frisch verurteilten Komplizen besuchen, könnte das interessante Erkenntnisse bringen. Leider war die Umsetzung des Lauschangriffs längst nicht so gut. Das hat die Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden nun auch schriftlich. Auf den 48 Tondateien sei so gut wie nichts zu verstehen, sagte eine Phonetikerin vom Landeskriminalamt Brandenburg: „Mal zwei, drei Worte, aber keine Sätze.“ Stattdessen Stimmengewirr und ausgeprägter Raumhall. Die Sachverständige sollte die Aufnahmen im Auftrag des Gerichts eigentlich verbessern. Doch da sei nichts zu machen, sagte sie.

Im Mammut-Prozess gegen fünf mutmaßliche Rädelsführer der „Hooligans Elbflorenz“ wurde dieses Ergebnis befürchtet. Die Verteidiger fragen sich jedoch, wie die Dresdner Polizei einen ganzen Bericht zu dem einstündigen Gefängnis-Gespräch anfertigen konnte. Das Gericht will nun von der Phonetikerin prüfen lassen, ob sich der Bericht in den Aufnahmen wiederfindet.

Die Angeklagten müssen sich seit August 2011 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verantworten, seit mehr als 70 Prozesstagen. Ihnen wird vorgeworfen, über Jahre Schlägereien mit anderen Hooligans geplant und durchgeführt zu haben. Auch sollen sie hinter den „Dönerüberfällen“ im Juni 2008 in der Neustadt stecken.

Was die Dönerüberfälle angeht, wurde der nun mitangeklagte Willi K. (25) bereits im März 2009 wegen Landfriedensbruchs zu zweieinhalb Jahren Jugendhaft verurteilt. Der Türsteher hatte gestanden, etwa 60 Leute dazu mobilisiert zu haben. Als Motiv nannte er, vermehrten Ärger mit türkischen Jugendlichen in Diskos und der Türsteher-Szene. Am 10. Mai 2009, dem Tag des belauschten Gesprächs, saß K. noch in Haft, wo ihn zwei der nun Mitangeklagten, die vermeintlichen Anführer der Hooligans Elbflorenz, besucht hatten.

Verteidigerin Katja Reichel, sie vertritt einen der beiden Anführer, kritisierte scharf, dass nie ermittelt wurde, ob K.s Geständnis stimmt. Sie beantragte, drei Türsteher als Zeugen zu hören, die K.s Angaben bestätigten. Es habe zwischen 2007 und 2009 sogar polizeibekannte Auseinandersetzungen in und vor Diskos gegeben – auch unmittelbar vor den Dönerüberfällen. Die Angriffe auf die türkischen Lokale seien nicht politisch motiviert gewesen, sondern eine „Fehde“ unter Jugendlichen, zu denen auch Willi K. zählte. Dies sei von Staatsanwaltschaft und der Staatsschutzkammer bislang schlichtweg ignoriert und nicht ansatzweise überprüft worden, sagte Katja Reichel. Der Prozess wird fortgesetzt.